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Selbstverteidigung Kampfsport, Kampfkunst, Erding, Rosenheim , Wing Tsun, Kung Fu, Kampf

Beharrlichkeit bringt Erfolg

Meine Kampfkunstgeschichte

Von Sifu Erwin L. Kastl

 

Am 1.November 1981 begann ich mit Kampfsport.

Ich war immer schon körperlich sehr aktiv. Als Kind begeisterte ich mich fürs  Radfahren,  als  Jugendlicher  mit  16  galt  mein  Interesse  dem Motorrad-Geländesport. Mit 18 verlor ich aber das Interesse daran und legte mir auch kein anderes Hobby zu. Nach einiger Zeit entwickelte sich in mir aber wieder das Bedürfnis, etwas körperlich zu machen. Eine Kampfsportart erschien mir am nützlichsten, da ich der Meinung war, daß mir so etwas auch außerhalb der Trainingshalle unter Umständen weiterhelfen könnte.

Als Kind hatte ich, wie alle anderen, durchaus Raufereien in der Schule, aber in eine richtige Schlägerei war ich nur einmal verwickelt, und das war lange vorher. Sicher hatte ich auch die Vorstellung, als guter Kämpfer mein Selbstvertrauen und Selbstbewußtsein zu verbessern.

Ich begann auf Empfehlung eines Freundes mein Training in der Schule Dynamic Karate. Lehrer dort war Großmeister Udo Zillner, 5. Dan. Offiziell wurde  dort  Taekwon-Do  unterrichtet,  es  wurden  auch  Schülergrade  und Dan-Graduierungen im Taekwon-Do abgenommen. Tatsächlich war es aber eine Mischung  von  Kampfsystemen.  Es  wurde  aber  kein  reguläres  Taekwon-Do Sparring  gemacht,  sondern  für  Wettkämpfe  im  Leichtkontakt-Kickboxen trainiert.

Zur  Information.   Es  gibt   drei  Taekwon-Do  Weltverbände  mit  drei verschiedenen Wettkampfarten. In den Black-Belt-Centern Kwon Che Wha wird Sparring  ohne  Kontakt  und  Schutzausrüstung  geübt.  Die  International Taekwon-Do    Föderation     (ITF)     macht    Sparring    ähnlich    dem Leichtkontakt-Kickboxen,  mit  Boxhandschuhen  und  Fußschützern.  Dieser Verband wird vom Taekwon-Do Begründer unterstützt. Hier gibt es aber nur wenig   Wettkämpfe.   Die   World   Taekwondo   Föderation   (WTF)   macht Vollkontaktwettkämpfe ohne Hand- und Fußschützer, dafür mit Schutzwesten und Helmen. Hier sind aus Sicherheitsgründen Fauststöße zum Kopf verboten. Dies ist wohl der größte Verband, mit den meisten Wettkämpfen, der mittlerweile auch olympische Disziplin ist.  Allen drei ist gemeinsam, daß Treffer nur auf der Vorderseite des Körpers oberhalb der Gürtellinie mit Hand oder Fuß erlaubt sind.

Wie alle  fleißigeren  Kämpfer dieser Schule  nahm  ich  dann an etlichen Leichtkontaktwettbewerben teil, aber mein Ehrgeiz hielt sich in Grenzen. Alle drei Monate legte ich eine Schülergradprüfung ab, wie es üblich war, ohne weiter darüber nachzudenken. Die ersten paar Jahre habe ich überhaupt nicht nachgedacht,  auch keine Bücher über Kampfkunst gelesen oder viel darüber  gesprochen,  ich  habe,  getreu  der Zen-Weisheit;  "Machen,  nicht Denken", Gemacht. Ich vertraute meinem Trainer und dem Taekwon-Do.

Obwohl ich sehr fleißig trainiert habe, war ich auch nach mehreren Jahren mit meiner eigenen Kampfkraft nicht zufrieden.  Ich begann, Nachzudenken. Mir fehlte das Vertrauen in die gelernten Techniken. Ich hatte Angst vor einem starken,  aggressiven Gegner, der      mit den Leichtkontakt-Kampftechniken, wo jede Berührung als Punkt gewertet wird, sicher nicht auszuschalten wäre. Zwar erzählten mir Schüler, die wesentlich schlechter warten als ich, von massenhaft gewonnen Straßenkämpfen, aber das konnte mich nicht beruhigen.

In Training und Wettkampf wurde jede Berührung als Treffer und als Punkt gewertet, der Kampf wurde abgebrochen und nach der Wertung durch die drei Punktrichter neu gestartet,  ich machte mir Sorgen um das,  was in der Selbstverteidigung  geschehen würde,  wenn  kein  Kampfrichter  unterbricht, sondern der Gegner weitermacht.

Vor allem hatte ich Angst vor dem Nahkampf. Es wurde im Leichtkontakt immer auf  große  Distanz  gekämpft,  man  ging  mit  einer  schnellen  und  langen Technik, die die Länge von Arm oder Bein voll ausnützte, in den Gegner hinein und sofort wieder zurück. Bevorzugte Verteidigung war nach hinten ausweichen. Dadurch kam es selten zu aufeinanderfolgenden Techniken.

Deshalb habe ich eine Kampfmethode gesucht, in der mit mehr Nahkampf und Folgetechniken gearbeitet wird. So etwas erschien mir realistischer.  Ich wollte nie Kampfkunst als Selbstzweck betreiben, mir ging es immer nur um die Selbstverteidigung.  In meiner Schule gab es zwei Kämpfer,  die hoch angesehen waren, da sie mit Erfolg an Vollkontaktwettkämpfen teilgenommen hatten. Einer war sogar deutscher Vizemeister,  Ich habe auch mit diesen Sparring gemacht. Obwohl wir nur Leichtkontakt kämpften, habe ich sofort gemerkt,  daß diese Leute aus einem anderen Holz geschnitzt waren.  Sie zeigten keinerlei Trefferwirkung und wirkten viel sicherer.  Gegen einen solchen Gegner sah ich keine Chance.

Deshalb entschloß ich mich, auch im Vollkontakt zu kämpfen. Ich erwartete, daß ich dann endlich mit mir zufrieden sein würde. Leider konnte ich dafür nicht trainieren, da diese beiden nur selten bei uns im Training waren und sonst niemand aus meiner Schule Vollkontakt kämpfen wollte. Es war allen zu hart. So fuhr ich im November 1984 auf meinen ersten Vollkontaktwettkampf, nur von einem Freund begleitet, der nichts von Kampfsport verstand.

Das Ergebnis war niederschmetternd.  Ich dachte,  es wäre so,  wie meine bisherigen Leichtkontaktwettkämpfe. Aber hier wurde ich in der ersten Runde niedergeschlagen. Ich war nicht bewußtlos, aber mein Kopf dröhnte so, daß ich auf das Aufstehen verzichtete und mich auszählen ließ. So etwas habe ich nicht erwartet. Hier wurde ja richtig ernst gemacht. 1985 habe ich dann noch zwei Kämpfe durch Abbruch oder Aufgabe in der ersten Runde verloren. Aber ich wollte nicht aufgeben. Ich trainierte zwar ohne Anleitung, aber mein Fleiß mußte sich doch auszahlen, oder?

In dieser Zeit lernte ich dann einige Leute aus dem Vollkontakt kennen. Kämpfer,  Trainer,  Funktionäre.  Einer  hatte wohl  Mitleid  mit  mir.  Der Trainer der Kickboxstaffel Erding, Heinz Klupp, Exweltmeister, machte mir dann  klar,  daß  Vollkontakt  sich  ganz  grundsätzlich  vom  Leichtkontakt unterscheidet. Es ist nicht möglich, Vollkontaktwettkämpfe ohne spezielles Training zu bestreiten. Die Handtechniken sind wie beim normalen Boxen, das ich überhaupt nicht beherrschte, der Stand ist anders, die Techniken sind ganz anders. Es genügt nicht, am Sandsack die Schlaghärte zu steigern und Kondition  zu  haben.  Nur  beim  Vollkontaktsparring  unter  qualifizierter Anleitung kann man sich auf diese Form des Wettbewerbes vorbereiten.

1986 habe ich dann eine schöpferische Pause eingelegt. Ich habe weiterhin Taekwon-Do  und  Leichtkontakt-Kickboxen  trainiert  und  im  Taekwon-Do  die Prüfung zum roten Gürtel, dem höchsten Schülergrad, abgelegt.

1987  habe  ich  mich  dann  entschieden,  um  jeden  Preis  im  Vollkontakt erfolgreich zu sein. Dazu mußte ich auch dementsprechend trainieren, so daß ich zwei mal in der Woche nach Erding fuhr. Dort hatte Heinz Klupp seine Schule, die Kickboxstaffel Erding.

Diese bedeutete zwar jedesmal 100 Kilometer Fahrt für mich, aber das war ein ernsthafter Verein,  in dessen Reihen sich Bayerische und Deutsche Meister befanden.

Dort habe ich ein harte Schule durchgemacht. Da in meiner Gewichtsklasse (bis 81 Kilogramm) wenig Kämpfer waren, hatte ich meistens den gleichen Sparringspartner.  Diese  war  als  eisenharter  Kämpfer  bekannt.  Er  war bayerischer Meister im Vollkontaktkickboxen und bayerischer Vizemeister im Amateurboxen. Im Wettkampf würde eine solche Paarung nie zugelassen werden. Durch diese Schule war es mir aber erstmals möglich, einen Vollkontaktkampf durchzustehen und auch zu gewinnen. Ganz entscheidende Lernerfahrung war für mich , den Schmerz, den ein harter Treffer verursacht, zu ignorieren. Die  Fähigkeit,  Treffer  zu  ertragen,  wurde  von  den  Erdinger  Kämpfern meisterhaft beherrscht.

Sie  ist  an  sich  leicht  zu  erlernen.  Da  man  beim Sparring  mit  einem überlegenen Gegner oft hart getroffen wird, hat man zwei Möglichkeiten. Man erträgt es, oder man wirft die ganze Sache hin. Ich habe mich für die erste Möglichkeit entschieden. Besonders lehrreich waren hier die Übungskämpfe mit Klaus O s t e r r i e d e r, der bei der Weltmeisterschaft 1987 den dritten Platz im Superschwergewicht (ca 100 Kilogramm) belegte.

Mein damaliger Trainer, Heinz Klupp, hat einmal gesagt, daß er beim Sparring mit einem Schüler niemals Schmerzen zeigen würde. Eher würde er sterben. Ich glaube ihm das. Wenn ich an Vollkontaktkämpfe denke, habe ich immer das Bild  vor  mit,  wie  ein  Kopf  nach  einem  harten  Treffer  ein  Stück zurückgeschleudert  wird,  wieder  nach  vorne  federt  und  der  Kämpfer unbeeindruckt mit erhobenen Fäusten den Gegner weiter bedrängt und vorgeht.

Im Juli 1987 habe ich dann im Taekwon-Do,  das ich weiterhin übte, den Schwarzen Gürtel erhalten. Kurz danach erhielt ich von Geert Lemens, dessen Reputation  im  Kickboxen  untadelig  ist,  auch  den  schwarzen  Gürtel  im Kickboxen.

Zu dieser Zeit hatte ich für Leichtkontaktkämpfer nur noch ein Grinsen übrig. Ein schöner Sport, aber kein Kampf, Ab und Zu fragte ich in meiner Münchener  Taekwon-Do  Schule,  ob  denn  niemand  bereit  wäre,  mit  mir Vollkontaktsparring zu machen. Es fand sich niemand.

1988  und   1989   habe   ich   dann   mit   unterschiedlichem   Erfolg   an Vollkontaktwettkämpfen  teilgenommen,  in  beiden  Jahren  war  mein  bestes Ergebnis der zweite Platz auf den Südbayerischen Meisterschaft. Dazu muß man aber wissen, daß das Niveau in Bayern im Vollkontaktkickboxen sehr hoch war. Der bayerische Meister war sehr oft auch deutscher Meister. 1989 hatte ich  sogar  einen  Sieg  durch  Abbruch,  das  heißt,  der  Betreuer  des gegnerischen Kämpfers warf das Handtuch, um einen K. 0. zu verhindern. In dieser Zeit war ich der stärkste Münchner Vollkontaktkämpfer, da mir auf den Turnieren nie ein anderer Münchner begegnete.

Dennoch war ich nicht ganz zufrieden mit mir. Ich zweifelte immer noch an meiner Fähigkeit, mich verteidigen zu können. Sport ist kein echter Kampf, das war mir klar. Aber was sollte ich machen. Irgendwie hatte ich mein Ziel im Vollkontakt erreicht. Ich war nicht der Beste, aber konkurrenzfähig, so gut wie die anderen. Sicher hätte ich mich noch weiter nach oben kämpfen können,  aber das wäre nur  "mehr vom Gleichen"  gewesen,  ich suchte ja eigentlich etwas anderes, wenn ich auch noch nicht wußte, das sein sollte. In den Actionfilmen verwendeten die Helden Techniken, die mir durchgehend bekannt waren.

In dieser Zeit hatte ich öfter einen Traum.  Dort kämpfte ich in einer Discothek. Obwohl ich oft den anderen traf und er mich nie, ging er nicht zu Boden. Meine Schläge zeigten keine Wirkung. Da hörten wir zu kämpfen auf und er gab zu, daß ich der Bessere wäre.

Das entspricht auch der Erfahrung aus meinen Wettkämpfen. Selbst wenn ich einen Volltreffer anbrachte, gingen meine Gegner nicht zu Boden, Dazu muß man wissen, daß ich meine Schlagkraft intensiv übte. Ich hatte damals den zweiten Dan im Taekwon-Do,  habe beeindruckende Bruchtests durchgeführt. Kaum jemand konnte am Sandsack so hart schlagen wie ich. Aber ein Gegner, der sich  bewegt,  ist  doch  etwas anderes.  Anscheinend  lassen  sich  die Nehmerfähigkeiten besser entwickeln als die Schlagkraft, zumindest wenn man das   Kämpfen   mit   Schutzausrüstung   betrachtet.   Außerdem   muß   man berücksichtigen, daß ein erfahrener Kämpfer in der Lage ist, selbst starken Treffern durch geringfügige Meidbewegungen die Wirkung zu nehmen. Er ist kein ruhendes Ziel,  daß sich mit Maximaler Kraft treffen läßt,  es ist schwer, überhaupt zu treffen, und noch schwerer, dann Wirkung zu erzielen.

Zudem war ich unzufrieden mit meiner Kampfkraft, weil mir klar war, daß ein,   wenn  auch  sehr  harter,   Wettkampfsport  mit  Regeln   in  der Selbstverteidigung Lücken aufweist, wenn es darum geht, mit regelwidrigen und daher ungewohnten Angriffen umzugehen.  Auf einem Turnier hatte ich einen Gegner, der mir ständig in den Unterleib trat. Trotz Tiefschutz tat es mir weh, aber ich war nicht in der Lage, diesen Angriff abzuwehren. Nach mehreren Ermahnungen des Kampfrichters hörte er dann damit auf, aber diese Erfahrung hat mein Selbstvertrauen nicht gerade gestärkt. Daher war ich immer noch auf der Suche nach dem idealen System für mich. Gerüchteweise wußte ich, daß es verschiedene Kung-Fu Systeme gab, wo all das im Kickboxen Verbotene geübt wurde. So jemand wäre ein gefährlicher Gegner, denn ich konnte nur oberhalb der Gürtellinie treten und Boxen, und dementsprechend auch nur mit solchen Angriffen umgehen.

Mitte 1989,  hatte in München eine neue Kampfkunstschule eröffnet.  Dort wurde Thai- und Kickboxen gelehrt, zumindest dem Namen nach. Es hieß, daß der bekannte Thai- und Kickboxchampion Branco Cizatic dort Trainer werden sollte. Die Regeln im Thaiboxen erlauben mehr Techniken als im Kickboxen, z. B. gibt es dort Tritte unterhalb der Gürtellinie, Schläge mit Ellbogen und Knie,  Nahkampf mit Umklammern und auch Würfe.  Dazu noch ein guter Trainer, das wäre schon ein Sache gewesen. Leider erhielt der Kroate keine Arbeitserlaubnis für Deutschland. Dennoch hatte ich die Gelegenheit, mit ihm zu sprechen. Ich habe gefragt, ob es wohl sinnvoll wäre, die Techniken des Thaiboxens in Eigenarbeit zu erlernen. Er sagte ganz klar, daß das vollkommen  sinnlos  wäre.   Ohne  qualifizierte  Anleitung,   nur  durch rumprobieren, läßt sich nichts Vernünftiges erlernen.

Hier möchte ich eine kleine Anekdote anbringen.  Im Thaiboxen wird der Lowkick, ein Tritt mit dem Schienbein auf den Oberschenkel des Gegners, gern und oft gemacht.  Da dieser Tritt  oft mit dem eigenen Schienbein abgewehrt wird, sind abgehärtete Schienbeine unerläßlich.  Ich dachte, es gäbe spezielle Trainingsmethoden dafür und fragte einen der Schüler von Branco Cizatic, wie das bei ihm gemacht wurde. Die Antwort ist verblüffend einfach. Beim Sparring mit Branco schlägt dieser harte Lowkicks. Entweder, man wehrt mit dem Schienbein ab, oder man wird am Oberschenkel getroffen. Wer aufgrund der Schmerzen nicht mehr weitermachen kann, hört eben auf. Da dies in jedem Sparring sich so verhält,  findet eine natürliche Auslese statt. Manche hören dann eben für immer auf. Auch eine Trainingsmethode, wenngleich die Bezeichnung Methode nicht ganz zutrifft. Es ist eher eine Auslese.  Mit Kampfkunst, so wie ich sie mir vorstellte, hatte das aber nichts zu tun. Ich dachte, es müßte doch möglich sein, durch intelligente Technik elegant den Angreifer zu besiegen.

Zu dieser Zeit fiel mit im Karatejournal die Anzeige für das Buch "Vom Zweikampf" von Sifu Kernspecht auf. Ich hatte schon öfter die mir damals übertreiben erscheinenden Artikel der Wing / Tsun-Leute gelesen, und sie nicht ernst genommen. Wenn man die Werbung liest, ist jeder unbesiegbar. Ein Buch, das sich  ganz  allgemein mit  Zweikampf  beschäftigte,  wollte  ich  mir  nicht entgehen  lassen.   Ich  hatte  mir  von  einer  Schweizer  Firma  für Söldnerausrüstung schon mehrere englischsprachige Bücher über militärischen Nahkampf  besorgt  und  wollte  nun  sehen,  was  der  Wing / Tsun-Europacheftrainer schreibt.

Das Buch war hervorragend, ich habe es an einem Tag ganz gelesen. Ich mußte jetzt unbedingt Wing Tsun erlernen. Da ich der Meinung war, daß in München keine  Schule  existierte,  habe  ich  mich  für  die  Vollzeitausbiidung interessiert. Zusammen mit der Antwort erhielt ich eine Ausgabe der Wing / Tsun-Welt 1989. Dort war die Münchner Gruppe von Klaus Reitmeier aufgeführt. Beim ersten Training dort wurde ich von Wolfgang Müller in das Wing / Tsun eingeführt. Ich war begeistert. Kurz danach fand bei Heidelberg ein Wing / Tsun-Lehrgang mit Sifu Kernspecht und anderen hochrangigen Ausbildern statt. Die Münchner Wing / Tsun-Ausbilder waren noch Schülergrade  und  nicht  in  der  Lage,  mir  Meisterschaft  im  Wing / Tsun  zu demonstrieren.  Das war auch in Ordnung,  ich wollte ja Wing / Tsun,  von dem ich absolut  überzeugt  war,  erlernen,  ich  brauchte  keine  Beweise,  das theoretische Konzept hatte mich überzeugt. Auf diesem Lehrgang wurde mit gezeigt, was die Aussage der Wing / Tsun-Lehrer, ein Wettkampfsport läßt sich nicht mit einer realistischen Selbstverteidigung vergleichen, bedeutet.

Ich war absolut wehrlos. Ich stand da, ich bewegte meine Hände, ich lag am Boden.  Ich versuchte einen Fauststoß, ich spürte fremde Hände an meinen Kopf, ich lag am Boden. Was war das? Alles, was ich gelernt hatte, war nichts wert. Endlos Gymnastik, Kraft- und Konditionstraining, Sparring, Sandsacktraining, Millionen von Techniken in der  Luft  geübt,  alles  umsonst. 

Geblieben ist mir aber mein Ehrgeiz. In den ersten paar Monaten habe ich ganz normal in der Schule geübt. Durch Hin- und Herfahren zu den anderen Gruppen von Klaus Reitmeier konnte ich drei bis viermal in der Woche trainieren,  außerdem habe ich zuhause Wing / Tsun geübt,  soweit es möglich war. Nachdem ich auf die Möglichkeit von Privatunterricht aufmerksam gemacht wurde, erkannte ich sehr schnell, daß dies die Methode war, die schnellen Fortschritte zu machen, die ich mir wünschte. Ich übte mehr und intensiver als alle anderen Schüler, die ich kannte. Ich fuhr ständig auf Lehrgänge.

Wie sehr bereute ich, meine Zeit mit anderen Kampfmethoden verschwendet zu haben. Andererseits kann ich mir keinen Vorwurf machen, ich wußte nichts von Wing / Tsun und habe nach meinem Wissen das damals Beste aus der Situation gemacht.  Wenn ich an meine Taekwon-Do Zeit denke,  habe ich immer die Ranghöheren bewundert und wollte so gut sein wie sie. Die waren sicher fast unbesiegbar, ich war ja noch ein Schüler. Wenn ich nur fleissig genug trainiere, was ich wirklich tat, werde ich mein Ziel der sicheren Selbstverteidigung im Strassenkampf erreichen. Als Schüler denkt man oft, es kommt noch etwas ganz besonders tolles, wenn man erst den schwarzen Gürtel erreicht hat. Aber es kommt weder im Taekwon-Do noch im Kickboxen etwas. Immer nur mehr vom Gleichen.  Wenn dann die Jahre so vergehen,  und man selbst zum Meister wird,  erst dann merkt man, daß die eigenen Erwartung niemals  erfüllt  werden.  Es  ist  ein  Problem  der  Qualität,  nicht  der Quantität. Auch durch noch so intensives Training kann man die Grenzen nicht überschreiten. Weder im Kickboxen noch viel weniger im Taekwon-Do erlernt man realistische Selbstverteidigung, es sind Sportarten für Wettkämpfe nach ihren jeweiligen Regeln ohne Bezug zum Strassenkampf. Am Anfang kann man das aber nicht wissen, im Regelfall vertraut man einfach seinem Meister oder Trainer.

Nun aber holte ich das auf, was mir fehlte. Am 15.5.89 machte ich die Prüfung zum ersten Schülergrad, am 12.Dezember 1990 wurde ich Übungsleiter, im Februar 1990 eröffnete ich meine erste Schule in Erding, am 24.11.91 wurde ich erster Lehrergrad, am 24.11.93 zweiter Lehrergrad. Seit 2.12.1994 bin ich Sifu des Wing / Tsun. Seit 26. April 2003 bin ich 3. Lehrergrad des Wing / Tsun. 

Meine Blitzkarriere in Bezug auf die offiziellen Graduierungen wurde unterbrochen, als mir die ersten UFC-Videos in die Hände fielen. Es handelt sich dabei um diese Turniere, die im Käfig stattfinden. Am Anfang war ausser Tiefschlägen, in die Augen stechen und Beissen alles erlaubt. Also mir erschien das schon sehr realistisch. Leider sah das etwas anders aus als das, was mir von meinen Wing / Tsun Lehrern als realistische Selbstverteidigung gezeigt wurde. Kann es denn so schwer sein, realistische Selbstverteidigung zu erlernen? Findet man wirklich keinen Stil, der diese Anforderung erfüllt? Theoretisch gab es zwar Bodenkampf imWing / Tsun, aber das waren angeblich Techniken, die man erst später erlernen würde. Damals sage man zu mir, das wäre ein Teil der Holzpuppentechniken, die ich erst in ein paar Jahren erlernen könnte. In dem Verband, in dem ich damals Mitglied war, werden bestimmte sogenannte “fortgeschrittene” Techniken erst nach Ablegung bestimmter Prüfungen und nach Einhaltung von sehr langen Wartezeiten unterrichtet. Aber ich hatte die Schnauze voll vom Warten. Ich wollte realistische Selbstverteidigung lernen, und zwar am besten seit gestern.  Ich wollt genau so kämpfen können wie die Kämpfer in diesen Turnieren. Sehr oft gingen die Kämpfer zu Boden, es ging sofort weiter und der Kampf wurde mit einem Hebel oder einer Würgetechnik beendet. Davon hatte ich überhaupt keine Ahnung. Ich habe dann sofort eine sehr einfache Technik, den Armstreckhebel (damit kann man den Arm des Gegners brechen) geübt und an meinen Schülern ausprobiert. Es hat immer geklappt. Da war wohl was dran, am Bodenkampf. Deshalb habe ich auch diesen erlernt, und er ist jetzt Teil meines Unterrichts.

Am 23.6.2004, nach 15 Jahren,  habe ich die Mitgliedschaft in diesem Verband, der E W T O, beendet. In manchen Foren nennt man diesen Verband auch GBV.

Gründe gab es mehr als genug.. Es war für mich unakzeptabel, dass ich mit 24 Jahren Kampfkunsterfahrung noch nicht einmal die Prüfung zum 2. Schülergrad abnehmen kann, aber die zum 11. Schülergrad schon. Die strengen Regeln des Verbandes von Sifu Keith R. Kernspecht, was ich zu unterrichten hatte und vor allem, was ich nicht zeigen darf, weil dies die sogenannten “fortgeschrittenen” Techniken nur für Lehrer sind, behinderten den Lernfortschritt meiner Schüler erheblich.

Ich nehme meinen Beruf als Ausbilder für Wing / Tsun (in welcher Schreibweise auch immer) ernst und kann nur ehrlich unterrichten. Etwas nicht zu zeigen, nur weil es ein höheres Programm ist, fiel mir schon immer sehr schwer und immer schwerer.  Ich habe nicht viele Schüler und möchte diese optimal ausbilden, ohne auf irgendwelche Verbandsregeln,  die das Lernen nur behindern, Rücksicht nehmen zu müssen. Je besser meine Schüler sind, desto mehr werde ich gefordert und kann mich selbst auch beim Unterrichten weiterentwickeln.

Alle meine Schüler haben diesen Schritt sehr begüsst. Die Mitgliedschaft in dem Verband und die zwingend vorgeschriebene Teilnahme an Prüfungslehrgängen waren ihr Geld nicht wert. Nun kann ich realistische Selbstverteidigung und geschmeidige Bewegungskunst ohne jede Einschränkung von aussen unterrichten.

Obwohl ich nicht unbesiegbar bin, bin ich doch zufrieden mit meiner Fähigkeit, mich  zu  verteidigen. Trotzdem trainiere ich selbst noch immer mehr als auch der Fleissigste meiner Schüler, denn es macht mir nach wie vor Freude. Freude ist aber das falsche Wort, es ist eher eine sehr befriedigende Art des Daseins. Mehr dazu hier.

Es  war  ein  langer Weg,  ich  bin  manche  Irrwege gegangen,  aber niemals habe ich mein Ziel aus den Augen verloren oder aufgegeben.

Ich bin allen meinen Lehrern dankbar, jeder hat mich ein Stück weitergebracht. Es war leider keiner einziger dabei, von dem ich das lernen konnte, was ich gerne gelernt hätte. Realistische Selbstverteidigung und geschmeidige Bewegungskunst, die Fähigkeit, einen körperlich überlegenen Angreifer mühelos zu besiegen. Die Mühe hatte man vorher beim Training, die Demonstration der Kunst wirkt dann mühelos. Obwohl das Wing / Tsun dem schon sehr nahe kam, musste ich doch noch Veränderungen vornehmen, um mein Ziel zu erreichen.

 

 

 

 

 

5 Strategien der Selbstverteidigung

 

Vor dem Auftreten einer bedrohlichen Situation kommt das sogenannte: „Target Hardening“. Machen sie sich zu einem Hartem Ziel, wie ein Panzer oder eine Festung. Durch umsichtiges Verhalten, Vermeiden von Gefahren, selbstbewusstes Auftreten, reagieren auf erste Warnhinweise usw. entstehen viele Situationen erst gar nicht. Lesen Sie dazu auch meine Sicherheitstipps für Fussgänger.

 

In einer Selbstverteidigungssituation gibt es im Wesentlichen FÜNF Strategien, die im Umgang mit einer Gefahr, die von Menschen ausgeht, vorhanden sind.

Fast jeder denkt beim Wort Selbstverteidigung nur an Kampf. Bei einem umfassenden Verständnis des Begriffes Selbstverteidigung im Sinne von Selbsterhaltung und Überleben um jeden Preis gibt es aber weit mehr Möglichkeiten, die Gefahr zu meistern. Es geht nicht ums Kämpfen, sondern ums möglichst unversehrt Überleben, auch von Personen, für die man verantwortlich ist.

 

    1.Die erste Strategie ist Nachgeben. Manche Dinge sind es einfach nicht wert, dafür zu kämpfen. Z. B. „Hau ab du Depp“ Wenn ich durch Weggehen das Problem lösen kann, mache ich das eben.

    2.Die zweite Strategie ist Flüchen. Davonlaufen so schnell wie nur möglich und so weit wie nur möglich, bis man zuverlässig in Sicherheit ist. Lieber ein paar Sekunden feige als ein Leben lang tot. Und (aus einem Mantel und Degen Film): Wer verliert und zieht von hinnen, kann ein anderes Mal gewinnen.

    3.Die dritte Strategie ist Deeskalation. Man versucht (Im Regelfall) den Angreifer zu beruhigen, man spricht mit ihm, beschwichtigt ihn und so weiter. Man entschärft die Situation. 

    4.Die vierte Strategie nenne ich mal: „Schneid abkaufen“. Man macht dem Angreifer klar, dass er sich das falsche Opfer ausgesucht hat. Vorraussetzung dafür ist ein extrem selbstbewusstes und auch körpersprachlich glaubwürdiges Auftreten. Z. B. „Mit mir legst die besser net o“.  Wurde von Ullrich Rauch schon mehrfach erfolgreich verwendet. Oder: „Wenn du ein Problem hast, können wir gleich rausgehen auf den Parkplatz und die Sache  klären“.

    5.Die fünfte Strategie erst ist Kämpfen. Sie ist nur eine der Strategien, aber die Schlüsselfähigkeit, um die anderen 4 Strategien erfolgreich einsetzen zu können. Je sicherer ich bin, den tatsächlichen Kampf zu gewinnen, desto ruhiger und selbstsicherer bin ich, desto besser kann ich überlegen, und andere Strategien in Betracht ziehen.    

  

Selbstverteidigung muss umfassend verstanden werden. Sie  beginnt mit  allgemeiner Wachsamkeit und Vorsicht , Target Hardening, geht über die Kenntnis und Benutzung der Farben für den Zustand meiner Aufmerksamkeit bis zu den 5 Strategien der Selbstverteidigung. Kämpfen ist erst das letzte Mittel, wenn alles andere versagt hat. Dennoch ist die Fähigkeit, sich durch den Einsatz von Gewalt zu verteidigen, der Schlüsselfaktor.

Kampfkunst als Ausgleich und befriedigendes Hobby

Thomas Kretschmann – Technikerarbeit

Mein Weg zur Kampfkunst

 

Mein erster Kontakt mit WT fand vergleichsweise früh statt: Als ich 12 Jahre alt war, erzählte mir mein Onkel von einer chinesischen Kampfkunst, die er betreibe. Er zählte zu den ersten Schülern in Deutschland, die Ende 70er Jahre in die EWTO eingetreten sind und besuchte die WT-Schule von Michael Till in München-Pasing. Dorthin nahm er mich auch mal mit, aber im Gedächtnis haften blieben eigentlich nur Turnhallen-Mief  und Erwachsene, die seltsame Bewegungen machen. Mit Ehrgeiz versuchte der Onkel zwar, seinen beiden Neffen – mir und meinem Bruder – die erste WT-Form und ein paar Handbefreiungstechniken beizubringen. Das war es dann aber auch, denn der Sinn der Bewegungen wurde mir nicht erklärt. Und meinem Onkel wohl auch nicht, denn wie ich heute weiß, war es war damals üblich, dem Schüler zwar etwas zu zeigen, mit dem Konzept hinter bestimmten Techniken und Bewegungen aber hinterm Berg zu halten. Hinzu kam, dass der Onkel – er möge mir verzeihen – nicht der beste Lehrer war. Ganz im Gegensatz zu meinem jetzigen Sifu Erwin Kastl, doch dazu später mehr.

 

Mein Bruder und ich versuchten es kurze Zeit später noch bei einer Judo-Schule in Grafing, doch deren Leiter – sicher ein guter Judoka – schnauzte die neuen Schüler gleich zu Beginn des Trainings an: "Wer hier nicht ordentlich mitmacht, der kann gleich wieder gehen, und jetzt macht mal Fallschule". Wofür das Abrollen auf Matten wichtig sein sollte, traute sich von den Neulingen natürlich keiner mehr zu fragen. Es war ein Aussiebverfahren für unsichere Pubertierende, und wir fielen durch das Sieb.

 

Natürlich kam ich als Jugendlicher ab und zu auch in Situationen, in denen man sich verteidigen können sollte. Die typische Anmache bei mir war immer: "Was schaust du so blöd, Brillenschlange?" Die Brillenschlange war ein absoluter "Softie", und konnte sich zum Glück stets kampflos aus der Affäre ziehen. Ich hatte immer ein Gefühl dafür, wenn etwa auf einer Party dicke Luft war oder gar eine Schlägerei drohte; so konnte ich mich immer aus dem Staub machen. Insofern gab es für mich keinen triftigen Grund oder Auslöser, sich mit Selbstverteidigung zu beschäftigen. Die Schmach aber, allein schon bei einem Testoteron-geschwängerten Wortgefecht den Kürzeren gezogen zu haben, hat mich immer lange beschäftigt, immerhin habe ich in solchen Situationen stets nachgegeben. Die Jahre danach steckte ich viel Energie ins Musikmachen. Im Gedächtnis blieb mir jedoch stets: Es gibt da was, das heißt Wing Tsun, da  muss was dahinter sein, denn der Onkel hat es jahrelang praktiziert und stets als tolles Hobby angepriesen.

 

Deshalb habe ich mich immer wieder mit den theoretischen Konzepten des WT beschäftigt, las Keith Kernspechts "Vom Kampf" machte mich in entsprechenden Internet-Foren schlau und kam zu dem Schluss: Wenn es meine Lebensumstände zulassen sollten, will ich das mal machen. Dass ich mich nicht schon  vor Jahren bei einer der Schulen des weltgrößten WT-Verbands angemeldet hatte, habe ich im Nachhinein aber nie bereut, denn ich wollte mich auf die Kampfkunst so weit wie möglich konzentrieren, und ich sagte mir immer: Die richtige Zeit dafür kommt noch.

 

Knapp 30 Jahre später kam sie dann auch, zunächst in Form eines Zufalls. Ich wohnte mit meiner Familie 30 km südöstlich von München, und meine Frau stieß im Internet auf die Homepage der Kampfkunstschulen von Erwin Kastl. Wir suchten eigentlich nach etwas Passendem für unseren damals 8jährigen Sohn. "Schau mal", sagte sie, "da hat eine WT-Schule gleich bei uns in der Nähe eröffnet". Ich war sofort wie elektrisiert: eine WT-Schule, nur 5 km von meinem Wohnort entfernt? Das interpretierte sogar ich als nur wenig esoterischer Mensch als ein Zeichen.

 

Zusammen mit meinem Schwager, der früher bereits eine andere Form des Kung Fu ausgeübt hatte, fuhr ich im Frühjahr 2005 zum nächstmöglichen Trainingstermin nach Taglaching. Sofort nach dem Probetraining unterzeichnete ich den Vertrag. Mich musste Sifu Kastl nicht von seiner Kampfkunst überzeugen. Mein Entschluss, WT zu erlernen, stand ja schon fest; die Frage war nur: War seine Schule das richtige für einen 40-jährigen Familienvater? Bringt es überhaupt etwas, in diesem Alter noch eine Kampfkunst zu erlernen?

 

Natürlich hatte mich zuvor ein wenig informiert: Ich habe die Homepage von Sifu Kastl genauestens studiert, verglichen, und positiv fiel mir auf: Er gibt vorab viel mehr Informationen als die meisten anderen WT-Seiten im Intranet – über sich selbst, seine Schulen und sein Unterrichtskonzept. Einen weiteren, hochgradigen Schüler von Sifu Kastl kannte ich privat, er war ehemals der Kung-Fu-Bruder von meinem Onkel. Nach einem Gespräch mit ihm war klar: Wenn man in meiner Umgebung richtig gutes WT lernen will, kommt man um Erwin Kastl nicht herum. Seine Reputation als Kämpfer und Lehrer ist absolut unzweifelhaft auch bei allen anderen Kampfkunst-/Kampfsport-Schulen in großem Umkreis. Bei ihm würde ich so nah an der Quelle des (WT-) Wissens sitzen, wie es mir örtlich und zeitlich möglich sein würde.

 

Meine Intention, eine Kampfkunst zu erlernen, ist also etwas anders gelagert als bei vielen meiner Mitschüler, die aufgrund ihres Alters sicher öfter in brenzlige Situationen kommen oder aber schon immer Kampfsport ausüben wollten. Aus dem Wunsch, "irgendwann mal WT lernen zu wollen" wurde ein Hobby, das viel mehr als das ist: Ich habe das Training bei Sifu Kastl als Ausgleich für meinen Schreibtischjob gewählt, und eine bessere Wahl hätte ich nicht treffen können.

 

In einem gesunden Körper ...

Sport ist wichtig, gerade wenn man täglich vor dem Rechner sitzt. In den Wintermonaten flitze ich so oft es auf Langlaufskiern über die Loipen der Umgebung. Doch was könnte ich während dem Rest des Jahres für meine Gesundheit tun? Vielleicht Joggen? Ist mir zu langweilig. Regelmäßig ab ins Kraftmeier-Studio? Muskelmasse wollte ich nie aufbauen, höchstens meine Rückenmuskulatur stärken, um die typischen Rückenleiden des modernen Menschen zu vermeiden. Dies sollte aber nicht das primäre Ziel sein, sondern am besten nebenher passieren, deshalb hatte ich auch keine Lust auf eine explizite Rückenschule. Massensportarten wie Ballspiele, insbesondere Fußball? Gern mal vor dem Sofa, aber einerseits rangiert vor allem Fußballspielen in Sachen Verletzungen deutlich vor allen anderen Freizeitsportarten und andererseits ist mir Vereinsmeierei zuwider.

 

Schon nach kurzer Zeit regelmäßigen Trainings bemerkte ich eine Verbesserung meiner Körperstruktur, die auch nach den rund 6 Jahren, die ich nun bei Sifu Kastl im Training bin, weiter zunimmt. Früher war ich beispielsweise mindestens 3 bis 4 mal pro Jahr für mehrere Tage von heftigen Rückenschmerzen geplagt. Heute ist das kein Thema mehr. Unter anderem dies ist ein positives Resultat der Heilgymnastik, die den Abschluss jeder Trainingseinheit bildet. Sie basiert auf der Muskelfunktionstherapie nach Dr. Walter Paki, enthält aber auch viele weitere Elemente, unter anderem von Mark Verstegen, der auch Deutsche Fußballnationalmannschaft trainiert hat.

 

Dass ich als unbeschriebenes Blatt bei Erwin Kastls Kampfsport-Schule eingestiegen bin, sehe ich grundsätzlich eher als Vor- denn als Nachteil: Ich musste mir keine zuvor eingeschleiften, hart ausgeführten und auf Muskelkraft basierenden Bewegungsabläufe mühsam abtrainieren. WT, und insbesondere Sifu Kastls Interpretation dieser Kampfkunst basiert unter anderem auf dem taoistischen Prinzip "Das Weiche überwindet das Starre". Eine Erfahrung, die ich zu Beginn des Trainings als "steifer" Mensch selbst gemacht habe: Das Blocken von Angriffen bringt nichts, im Gegenteil – je stärker die Blockade, umso schneller unterliegt man. Mittlerweile kann ich sagen, dass ich "weicher" geworden bin und kann im Training mit Mitschülern, die (noch) auf Härte setzen, entsprechend umgehen. Nachgiebige, anpassende Verhaltensweisen sind die Basis, um mit WT einen Kampf zu gewinnen.

 

... steckt ein gesunder Geist

Doch nicht nur der Körper allein profitiert vom Training bei Sifu Kastl. Sicher, man verlässt die Kampfkunstschule nach einer Trainingseinheit geschafft und befriedigt, hat nach einem langen Arbeitstag den inneren Schweinehund besiegt und das Training besucht. Das Gehirn belohnt den Körper für seinen Fleiß durch die Ausschüttung diverser Glückshormone, so wie es bei allen Sportlern der Fall ist.

Doch da ist noch viel mehr: Einerseits lernt man, mit Rückschlägen umzugehen, weil man nicht so vorwärts kommt wie man es sich wünscht oder man ist noch nicht so weit, wie man eigentlich dachte. Und andererseits sind Erfolge, die einen entschädigen: Eine erfolgreich bestandene Schülergrad-Prüfung oder ein Trainingskampf, den man für sich entscheidet. Ich kann mir keine andere sportliche Betätigung vorstellen, die das "Belohnungssystem" meines Geistes derart positiv unterstützt.

 

Und es geht noch weiter: Zu der Zeit, als ich mit den Chi-Sao-Partnerübungen begonnen habe, bemerkte ich ein Phänomen, das ich bislang nur vom Musikmachen her kannte: Das "Fließen", der Flow. Ein Beispiel: Macht man allein Musik, äußert sich dies darin, dass beispielsweise die zuvor fleißig geübte Beethoven-Etüde wie geschmiert läuft. Denkt man aber auch nur kurz bewusst "das läuft aber wie geschmiert", ist es vorbei mit dem Fließen. Nicht ich bin es der etwas tut, sondern es geschieht durch mich. Dieses fragile, geistige Konstrukt ist leicht zu Fall zu bringen, man kann aber lernen, den Zustand länger aufrecht zu erhalten. Kommt man beim Musizieren in einer Band oder beim Improvisieren miteinander ebenfalls in den "Flow", wird dieser durch einen kommunikativen Faktor erweitert: Man, oder besser: "Es" spricht durch mich und hört zur gleichzeitig zu. Etwas, das bei der Mund-zu-Ohr-Kommunikation funktioniert.

 

Bei vielen WT-Übungen und vor allem bei den Chi-Sao-Partnerübungen verhält es sich ganz genauso: Beide Trainingspartner geben Informationen in Form von Energie an den jeweils anderen weiter, nehmen diese aber auch gleichzeitig von ihm auf – die Partner kommunizieren miteinander. Beherrscht ein Partner mehr Vokabeln dieser Form der Kommunikation, macht er also eine Bewegung oder führt einen Angriff aus, den ich nicht kenne und auf den ich nicht vorbereitet bin, muss ich mich anpassen. Geschieht dies bewusst, dann meist zu spät und oft versteift man sich. Die Folge ist fast immer eine Niederlage. Passiert dies aber unbewusst, am besten noch während des Fließens, kann man sich mühelos an neue Bewegungen anpassen.

 

WT bis ins hohe Alter

In Sifu Kastls Schulen wird jeder Schüler individuell gefördert. Der Lehrer hat ein hervorragendes Gespür dafür, welches und wie viel Wissen er passend zum jeweiligen Ausbildungsstand des Schülers weitergibt. Trotzdem wird jede Frage beantwortet: Es gibt keine Techniken, die zurückgehalten werden, recht früh wird die zweite WT-Form gelehrt und auch das Training an der Holzpuppe ist kein Geheimnis.

Im Gegenteil: Erwin Kastl liegt viel daran, dass seine Schüler etwas lernen und sich weiterentwickeln. Seine Kampfkunst erweitert er immer wieder durch neue Techniken. Er scheut sich nicht, bestehende Trainingsinhalte über Bord zu werden und durch bessere zu ersetzen. "Das Bessere ist der Feind des Guten", lautet eines seiner Mottos. Neue Lehrinhalte werden aber nicht einfach zum bestehenden Programm hinzugenommen. Jeder einzelne neue Bewegungsablauf wird auf seine Tauglichkeit hin geprüft. Es ist spannend, zu sehen und vor allem selbst zu erleben, wie bei Erwin Kastls WT jede Bewegung und jede Technik zur anderen passt.

Dies ist auch eines der Grundprinzipien des WT: Es ist eine lebende Kampfkunst, sie darf und soll sich weiterentwickeln, nichts wird auf eine bestimmte Art und Weise gemacht, "weil das schon immer schon so war", sondern weil es funktioniert. Im Boxen wird ein Uppercut immer ein Uppercut bleiben, weil es ein festes Regelwerk gibt, das sich wohl nicht so schnell ändern wird. Ein Kampfsystem hingegen, das für einen Kampf ohne Regeln ausgelegt ist, muss sich weiterentwickeln – und ich freue mich jedes Mal aufs Neue, dass ich sozusagen ganz nah dran bin und Einblick in die Weiterentwicklung einer jahrhundertealten Kampfkunst erhalten kann.

Wie geht es nun weiter, da ich den Schritt vom Schülergrad zum 1. Lehrergrad gemacht habe? Die Antwort ist simpel: Der Weg ist das Ziel. Da regelmäßiges Training für mich der Weg ist, erreiche ich mein Ziel mit jeder Trainingseinheit: Die Erhaltung meiner körperlichen Leistungsfähigkeit bis ins hohe Alter und natürlich die Möglichkeit, in Sachen Kampfkunst immer wieder dazulernen zu können.

Ich werde nie, wie manche meiner respektierten Mitschüler, ein "großer Kämpfer" sein. Aber über zwei Dinge bin ich mir aber absolut sicher: Mein Hobby ist der optimale Ausgleich für meinen Job – und ich im Ernstfall brauche ich nicht mehr zurückstecken.

 

Mein Dank gilt Sifu Erwin Kastl und natürlich all meinen Mitschülern, die mich auf dem Weg noch lange begleiten mögen.

 

Thomas Kretschmann, Dezember 2011

 

 

Frank Künzel besteht die Prüfung zum ersten Lehrergrad Hier seine Arbeit über seinen Weg zum und mit Wing Tsun

Mein Weg zur Kampfkunst

1984 war ein einschneidendes Jahr für mich. Ich war 16 Jahre alt, saß im Kino und erwartete gespannt den Beginn des, für mich, Film des Jahres. Karate Kid!

Gebannt verfolgte ich den Werdegang eines Jungen in meinem Alter, welcher von einem kleinen, alten Japaner im Karate ausgebildet wurde.Der Film fand nach 1.5 Stunden ein Ende, und wir verließen, völlig euphorisch das Kino.Ich lebte damals in Kiel, und versuchte in den darauffolgenden Tagen herauszufinden,wo man in Kiel Karate erlernen könnte.

Ein Arbeitskollege, der von meinem Vorhaben Wind bekam, erzählte mir von seinem Vater,der bei einem Pastor Street Fighting gelernt hatte und ein absoluter Bruce Lee Fan war. Ich ging wenige Tage später mit zu Ihm nach Hause und kam das erste Mal mit Wing Tsun in Berührung,

Der Vater meines Kollegen nahm Unterricht in Bruce Lee’s Jeet Kune Do. Das dieser Kampfstil wesentliche Elemente des traditionellen Yip Man Wing Tsun enthält,wusste ich damals natürlich noch nicht. Es war auch nicht wichtig für mich. Ich hatte jemanden, der mir einige Tricks und Taktiken zur Selbstverteidigung beibrachte und das reichte mir damals.

Ich hatte bald wieder andere Sachen im Kopf und vernachlässigte das Training, um mich „wichtigeren“ Dingen, wie Autos, Mädchen und Disco zu widmen.

Mit 24 kam ich zur Bundeswehr. Ich war in Kiel stationiert und lernte dort einen Unteroffizier kennen. Meine Kameraden erzählten mir immer wieder, dass dieser Typ immer komische Sachen abends auf dem Sportplatz macht.Ich beschloss, Ihn einfach mal abends auf dem Sportplatz zu besuchen.

Er machte Verrenkungen mit den Armen und Beinen, die mich schon etwas schmunzeln ließen. Und doch erinnerte ich mich in diesem Moment wieder an Karate Kid und wusste, dass dies irgendwas mit Kampfsport zu tun haben musste. Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und fragte den Unteroffizier direkt, was er da treibt.

Ich erfuhr, das er in Kiel Wing Tsung trainiert, und er jeden Abend die Siu Nim Tau übt.

Ich ging mit Ihm zu einem Probetraining in einer Schule der EWTO, konnte mir aber damals den monatlichen Beitrag nicht leisten.

So gingen für mich die Jahre ins Land und ich schob das Thema Kampfsport immer vor mir her.

Ich verschlang alles an Filmen und Literatur, was auch nur ansatzweise mit Kampfsport zu tun hat und war theoretisch schon ein alter Hase auf diesem Gebiet. Praktisch war meine Erfahrung gleich null.

Im März 2005 sollte sich dieser Zustand ändern. Ich war mittlerweile mit meiner Frau nach Bayern gezogen und lernte den Bruder, nennen wir ihn Ralf, unseres Nachbarn kennen. Schnell kam das Gespräch auf die Kampfkünste und ich durfte mit Freude feststellen, dass Ralf in Erding Unterricht in Wing Tsun nahm, Für mich stand fest, dass für mich jetzt der Praktische Teil folgen sollte. Ich ging mit zum Probetraining und lernte meinen Sifu Erwin Kastl kennen.

Ich war schon nach der ersten Stunde von der Art und Weise begeistert, wie mein Sifu die Kampfkunst uns Schülern näherbringt. Nicht mit trockenen Floskeln über alteingesessenen Praktiken, sondern mit Witz und überzeugendem Bezug auf die leider immer härter werdende Realität auf der Strasse. Es ist sicher gewöhnungsbedürftig, sich anschreien oder überfallartig angreifen zu lassen. Die Realität ist aber bei weitem schmerzvoller, als das, was wir im Training simulieren.

Wing Tsun ist eine ausgesprochen harte Körperkontaktbetonte Kampfkunst. Am Anfang versuchte ich immer wieder den Attacken meines Sifu mit Kraft zu begegnen,musste aber feststellen, dass sein Grinsen immer breiter wurde, je kräftiger ich arbeitete. Wing Tsun lebt von der Energie des Gegners. Je mehr dieser sich anstrengt, mir seinen Willen aufzudrängen, desto mehr tut er genau das was ich will.

 

Das ursprüngliche Wing Tsun System

Wing Tsun ist ein alter chinesischer Boxstil, der ins Deutsche übersetzt "schöner Frühling" heißt. Der Legende nach soll dies der Name einer Nonne sein, die dieses Kampf- und Selbstverteidigungssystem aus ihren Erfahrungen im Training mit Mönchen des Shaolin-Klosters entwickelt haben soll. Eine ihrer Erkenntnisse ist, dass bei Beherrschung von Techniken auf gleichem Niveau und bei gleicher Mentalität derjenige Kämpfende überlegen ist, der über die größere physische Kraft verfügt. Aus diesem Grunde wurde bei allen Kampfkünsten, die als Sport ( Kampfsport ) ausgeübt werden, die Staffelung in Gewichtsklassen eingeführt.

Um der Überlegenheit von größerer Körperkraft zu entgegnen, wurde ein Selbstverteidigungssystem geschaffen, das dieses physische Ungleichgewicht ausschaltet.

Zugunsten einer höheren Effektivität und größerer eigener Sicherheit des Verteidigers werden geradlinige Bewegungen bei gleichzeitigem Verzicht auf artistische Techniken wie z.B. Tritte zum Kopf oder umständliche Drehtechniken bevorzugt. Gleichzeitig wird Wing Tsun daher für den Schüler leichter erlernbar und schneller erfolgversprechend beherrschbar. Ein weiteres Trainieren der Grundtechniken führt zu gesteigerter Präzision und Schnelligkeit.

Das Hauptaugenmerk dieser Kampfkunst liegt zweifelsohne auf dem körperlichen Kontakt zum Gegner. Der Wing Tsun Kämpfer ist in der Lage durch taktile Reize die Angriffsrichtung vorauszuahnen.  Er kann sich die gerichtete Energie des Gegners zu Nutze machen, indem er sie umleitet um gleichzeitig einen Gegenangriff zu starten, dem der ungeübte Kämpfer in der Regel nichts entgegenzusetzen hat.

Das Wing Tsun System ist ein in sich geschlossenes, effektives Kampfsystem welches aber auch noch Raum für Interpretationen und Techniken aus anderen Systemen lässt.

 

Wing Tsun Freistil und Realistische Selbstverteidigung:

Sifu Erwin Kastl unterrichtet als Basis das Wing Tsun System, wie er es vom Grossmeister Kernspecht gelernt hat und Eskrima ( philippinischer Stockkampf ). Als Erweiterung baut er die verschiedensten Techniken aus unterschiedlichen Kampfsportarten und von weltweit anerkannten Experten im Nahkampf und der Realistischen Selbstverteidigung sinnvoll in das System ein.

Hier sind für den Bodenkampf Brazilien Jiu Jitsu und Aufgabegriffe wie z. B. der Oma Plata zu nennen. Für die Messerabwehr trainieren wir das Dog Catcher System.

Für die Abwehr von Schlag,- Stoss,- und Schusswaffen werden Techniken von den verschiedensten Experten im zivilen und militärischen Nahkampf eingebunden.

Des Weiteren unterrichtet Sifu Erwin Kastl Angriffe auf Nervendruckpunkte im menschlichen Körper. Diese Punkte zu kennen, ermöglichen es dem Kämpfer, den Angreifer durch Schlagen auf dieselben zum Aufgeben zu zwingen, da diese Angriffe extrem schmerzhaft sind und in vielen Fällen zu einem technischen K.O. führen.

Alle Techniken werden immer mit den Grundtechniken des Wing Tsun kombiniert und ergeben so ein, meiner Meinung nach, perfektes System, jegliche Art von Angriffen zu überleben und als Sieger hervorzugehen.

Sifu Kastl legt sehr viel Wert darauf, dass seine Techniken in der Realität auch funktionieren ohne das man sich lange überlegen muss wie man welchen Angriff abwehrt. Aus diesem Grund wurde von ihm die Biu Tze Kampferöffnung eingeführt, welche es mir erlaubt, auf immer dieselbe Art und Weise auf waffenlose Angriffe zu reagieren.

Die Reaktionszeit wird so minimiert und der Angreifer kampfunfähig gemacht, bevor dessen Angriff vollendet werden konnte.

Hierbei findet auch der Kubotan ( auch Yawara oder Palmstick genannt ) Anwendung.

Dies ist ein Stick in der Form und Größe eines Edding und meistens aus Aluminium oder Holz. Der Kubotan wird als Schlagkraftverstärker in der geschlossenen Faust gehalten und kann auch zum direkten Schlagen auf empfindliche Körperstellen verwendet werden.

Man ist derart „bewaffnet“ in der Lage sich auch gegen mehrere Angreifer effektiv zu verteidigen. Der Kubotan fällt nicht unter das Waffengesetz.

Hier alle Techniken näher zu erläutern würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Mein Sifu hat aber zu jedem Thema leicht verständliche und vor allem ausführliche DVD’s im Angebot, welche ich wirklich jedem Interessierten empfehlen kann.

Ich finde es auch nach Jahren immer wieder faszinierend, wie man sich mit einfachsten Techniken aus scheinbar ausweglosen Situationen befreien kann. Diese Techniken sind keine großartigen Geheimnisse. Man muss nur wissen wie und wann man welche Technik einsetzt. Hier zählt üben, üben, üben, um im Ernstfall intuitiv handeln zu können.

 

Ich möchte mich nun einem, für mich, noch wichtigerem Thema zuwenden.

Dem Kampf vor dem Kampf. Denn eigentlich darf ein Kampf nur das allerletzte Mittel sein.Es muss jedem bewusst sein das jede Auseinandersetzung zu schwersten Verletzungen oder zum Tod führen kann.

 

Die Entstehung und der psychologische Aspekt eines Kampfes

Fragt man jemanden, der in eine körperliche Auseinandersetzung verwickelt war, wie es dazu gekommen sei, bekommt man häufig als Antwort: „ Der Typ hat mich ohne Grund angegriffen, ich weiß nicht, warum der das getan hat. Ich habe nichts getan.“In den meisten Fällen weiß der Befragte wirklich nicht, wie es zu dem Übergriff kam.

Aber nicht weil nichts vorher passiert ist, sondern weil sich das Opfer mit Situationen, in denen es sich befunden hat, nicht auseinandergesetzt hat oder sie nicht einzuschätzen wusste. Für ihn ist einfach nichts passiert.

Der Angreifer beschreibt das Szenario ganz anders.

Der Typ hat mich beim Reinkommen schon so merkwürdig angeschaut. Als er dann mit seinen Freunden an mir vorbeiging, hat er mich auch noch angerempelt und sich nicht mal entschuldigt. Der hat mich einfach ignoriert. Als ich 2 Stunden später nach ein Paar Drinks mit meinem Kumpel auf die Toilette wollte,war da schon wieder dieser Kerl. Er schaute mich an und lachte mit seinen Freunden. Ich dachte „ lacht der etwa über mich?“ Ich ging also auf ihn zu und fragte ihn, was er für ein Problem mit mir hätte.

Er antwortete, er kenne mich nicht und er hätte kein Problem. Als er dann auch noch die Hand auf meine Schulter legte, brannten bei mir die Sicherungen durch.

Nun ist es nicht so, dass jeder Mensch, mit dem wir aus Versehen in Kontakt geraten, uns nach dem Leben trachtet. Aber die Wahrscheinlichkeit ist da. Also ist es sinnvoll, sich für ein einfaches Anrempeln zu entschuldigen. Es tut mir nicht weh, und mein Gegenüber hat das Gefühl, mit Respekt behandelt zu werden.

Die Vorgeschichte eines Kampfes kann sich über mehrere Stunden hinziehen. Der Kampf selber dauert in der Regel nur wenige Sekunden. Ich habe also vorher Stundenlang Zeit, diese Konfrontation zu vermeiden, vorausgesetzt ich weiß die Zeichen zu deuten.

Wir versuchen deshalb beim Training, ein realistisches Szenario aufzubauen, um zu üben, wie man sich am Besten in solchen Gefahrensituationen verhält.

Sifu Erwin Kastl ist dabei stets bemüht, uns zu vermitteln, dass fast alle Situationen mit sogenannten „sanften Mitteln“ ( dabei soll eine ernsthafte Verletzung des Gegners ausgeschlossen werden ) bewältigt werden können. Dies schließt natürlich mit ein, eine Örtlichkeit einfach zu verlassen, und nach Hause zu gehen. Kein Gegner – kein Kampf.

Durch das Training bei meinem Sifu, habe ich gelernt, mich in vielen Situationen ruhig und besonnen zu verhalten. Positiver Nebeneffekt dabei ist, das man durch sein selbstsicheres Auftreten die Opferrolle verlässt, da sich Strassenschläger oder andere Kriminelle in der Regel vermeintlich Schwächere für ihre Attacken aussuchen.

Darüber hinaus lernen wir aber auch, dass wir den Gegner eine gewisse Schwelle nicht überschreiten lassen dürfen. Wir müssen ihm klar seine Grenzen aufzeigen. Hier kommt wieder unsere Kampfkunst ins Spiel. In der heutigen Zeit sind Angriffe mit Stoss, - Stich oder Schlagwaffen leider keine Seltenheit.

Dabei ist es natürlich extrem wichtig, immer im Rahmen des Gesetzes zu handeln. Der Aspekt der Notwehr oder Nothilfe hat immer im Vordergrund zu stehen. Ich erwarte jetzt nicht hinter jeder Ecke eine Gefahr, aber eins steht fest. Aus Kriegsgebieten hört man oft, dass Menschen anderen Menschen „ unmenschliche“ Dinge antun. Der Mensch verroht zusehends.

Wir Menschen gaben uns den Namen Mensch, um uns vom Tier zu unterscheiden. Nichts desto Trotz gehören wir zur Gattung der Säugetiere und sind Allesfresser. Wir werden nur durch Erziehung, Gesetze und Strafandrohungen in einem Rahmen gehalten, der ein friedvolles Zusammenleben ermöglicht.

Dennoch gibt es genug Menschen, die, aus welchen Gründen auch immer, ihren niederen Instinkten erliegen, und sich durch Gewaltexzesse hervortun. Alkohol und Drogen spielen dabei meistens eine große Rolle. Also muss man auf Veranstaltungen mit vielen Menschen immer damit rechnen, in eine Gefahrensituation zu geraten.

Ich bin jetzt 43 Jahre alt und hatte noch nie eine Schlägerei. Nicht weil ich Superman bin, sondern weil ich gelernt habe, Gefahrensituationen aus dem Weg zu gehen, oder sie verbal und durch ein selbstbewusstes Auftreten schlichten konnte. Meiner Meinung nach ist es dabei immer sehr wichtig, dein Gegenüber nie zu unterschätzen und ihn immer mit Respekt zu behandeln, wie du es von ihm selbst auch erwartest.

Nun kann man mich fragen: Wenn du nie Angegriffen wurdest, woher weißt du dann, das dein System funktioniert?

Meine Antwort: Die Tatsache, dass ich nie Angegriffen wurde und es hoffentlich auch nicht werde, ist der absolute Beweis, dass das System funktioniert.

Deswegen lautet einer meiner Leitsätze: Nur ein nicht geführter Kampf ist ein gewonnener Kampf.

In diesem Sinne wünsche ich allen Lesern meiner Arbeit ein gesundes und friedvolles Leben.

 

Ich möchte mich ganz herzlich bei meinem Sifu Erwin Kastl bedanken, der mir während meiner Zeit mit ihm immer mit Rat und Tat zur Seite stand und durch den ich gelernt habe viele Dinge im Leben entspannter zu sehen.

 

DANKE                Frank Künzel  Februar 2012

 

Emil Nicolov besteht die Prüfung zum ersten Lehrergrad Kommentar von Erwin Kastl: Emil kann viel besser erzählen als schreiben. Und er ist sehr gesellig und hat dadurch mehr Kontakt mit anderen Kampfsportlern, als die meisten anderen Wing Tsun Schüler. Er scheut sich auch nicht, seine Fähigkeiten mit diesen anderen im freundschaftlichen Sparring zu vergleichen. Ich muss aber gerade Anfänger davor warnen, ihm nachzueifern. Dazu muss man schon sehr gut sein. Wer mehr dazu wissen will, kann meinen Artikel: “Wing / Tsun ausprobieren“ lesen.

 Was  Wing Tsun mir im Leben brachte:

Ich heiße Emil Nikolov und betreibe seit 13 Jahren Wing Tsun

Derzeit bestreite ich meinen Lebensunterhalt aufgrund meines Könnens im Wing Tsun in einem Security-Team für einen Milliardär in Frankreich. Der Chef  des Teams ist ein Jugendfreund von mir, der bei einem Besuch vor einem Jahr einige Wing Tsun Techniken von mir gezeigt bekam. Er war so begeistert, dass er mich unbedingt in seinem Team haben wollte, um die Qualität  seiner  Truppe im  Nahkampf zu steigern. Und das, obwohl unter den Mitarbeitern des Personenschutzteams  alle bekannten Kampfsportarten wie Ringen, Boxen, Karate, Aikido, Jiu Jutsu, Teakwon-Do, Kick- und Thaiboxen und Ultimate Fighting auf hohen Niveau bereits vertreten sind.

Fast alle der Mitarbeiter sind ehemalige Fremdenlegionären deren Ruf als harte und gut ausgebildete Kämpfer und Soldaten weltbekannt ist sind. Deren Fähigkeiten beziehen sich jedoch mehr auf das Anwenden von Schußwaffen und den Messerkampf. Meine Sparringspartner und ich können täglich feststellen, dass im Nahkampf kein einziger anderer Kampfsport die rücksichtslose Wirksamkeit von Wing Tsun aufweisen kann. Häufig wird dort gesagt: Wing Tsun ist für den Krieg, und die anderen Kampfsportarten sind mehr für den Sport. Wenn so etwas von Männern gesagt wird, die mit Kämpfen ihr Geld verdienen, ist dies in meinen Augen eine besondere Auszeichnung.

Ich bin glücklich darüber dass es mir ermöglicht wurde, mit dem was ich am liebsten tue, meinen Lebensunterhalt bestreiten zu können.Zuvor arbeitete ich als Krankenpfleger auf einer geschlossenen Abteilung in der Psychiatrie, wo ich bei verschiedenen Einsätzen mit gewalttätigen Patienten oftmals mein Können in der Praxis erproben konnte.

Einer der tobenden Patienten, den ich zu kontrollieren hatte, hatte sogar schon jemanden getötet. Obwohl ich sehr viel mit anderen Kampfsportlern auch durchaus härteres Sparring gemacht habe, und dadurch Vertrauen in mein Können habe, hat dieses Erlebnis mein Selbstbewusstsein und mein Vertrauen auf Wing Tsun noch einmal verstärkt. Das war eindeutig der Ernstfall, und sogar erschwert, da ich die Patienten ja keinesfalls verletzen durfte.

Viele meiner männlichen Kollegen erlitten ernsthafte Verletzungen bei dem Versuch, aggressive und tobende Patienten zur Raison zu bringen. Ohne eine spezielle Ausbildung, wie sie z. B. im Wing Tsun als Teil des 11. Schülergradprogrammes unter dem Begriff: „Sanfte Mittel“ durchgeführt wird, kann es sehr gefährlich sein, hier zum Schutz des Patienten einzugreifen.

Manch einer überschätzt sich auch nach dem Absolvieren eines Selbstverteidigungskurses, da doch fast immer  die erforderliche regelmässige und auch intensive Übung fehlt. Entsetzt musste ich öfters beobachten, wie arglos sich die Pfleger dem Patienten nähern. Wenn dieser selbst Kampfsport betreibt, was durchaus vorkommt, ist es oft nur durch eine hohe Anzahl von Pflegern möglich, solche Patienten zu fixieren.

Als man meine Fähigkeiten im Nahkampf und in der sanften Kontrolle aggressiver Patienten erkannte, wurde meinen Vorgesetzten klar, dass es für die Gesundheit der anderen Pfleger und der Patienten besser wäre, wenn ich für diese Situationen eingesetzt werde. Von da an wurde ich zu jedem Notfall gerufen, und habe als erster den Kontakt mit dem Patienten aufgenommen.

Auch von Seiten des Sicherheitsdienstes wurde die Überlegenheit von Wing Tsun im Vergleich zu den  dort praktizierten Selbstverteidigungstechniken positiv bewertet. Vor allem, weil die von mir ausgeübten  Techniken sanfte Methoden sind, welche dem Patienten keinen Schaden zufügen, und trotzdem die eigene Sicherheit gewährleisten. Denn diese Angriffe gehen von psychisch kranken, nicht zurechnungsfähigen Menschen aus, welche in ihren Wahnvorstellungen nicht Herr über ihre Sinne sind. Schon aus diesem Grund ist es sehr schwierig, sich selbst so zu verteidigen, dass die eigene Gesundheit erhalten  bleibt, dem Patient aber keinesfalls Schaden zugefügt wird. Sich zu verteidigen, den Patienten zu kontrollieren und ihn dabei nicht zu verletzen, ist ein Spagat, der eine intensive Ausbildung im Nahkampf erfordert. Durch diese, an sich widersprüchlichen Anforderungen sind viele Pfleger bei solchen Einsätzen überfordert und erleiden selbst Verletzungen

Nun, ich trainiere seit 13 Jahren und habe damit den anderen Pflegern etwas voraus. Dass mir diesen Hobby in meinem Beruf nützen kann, habe ich natürlich nicht vorausahnen können.  

Mein Selbstvertrauen schafft eine spezielle zwischenmenschliche Beziehung zu den Patienten, da ich keine Angst vor ihnen habe, und mich auch nicht reizen lasse. Daher wurden mir oft Patienten zugeteilt die aufgrund ihrer ungezügelten Aggressionen Angst oder Unwohlsein bei den Kollegen hervorriefen, in dem Wissen um meine Fähigkeit, sie und mich beschützen zu können.

Sparringspartner aus Taekwondo, Karate und Kickboxen sind von Wing Tsun so begeistert, dass sie es nun ebenfalls erlernen. Sie erkennen die Vorteile, einen  Distanzkampfsport mit Tritten und Boxschlägen mit dem Nahkampf des Wing Tsun, der in einer Entfernung von ca. zwei Dritteln der Armlänge zum Gegner stattfindet,  zu kombinieren. Sie erkannten das nahezu komplette Fehlen von eigenen Nahkampffähigkeiten. Es war mir immer gut möglich, ihre Tritte und Faustschläge abzuwehren, in den Nahkampf zu kommen, und sie dort mühelos zu beherrschen und besiegen.

Es ist offensichtlich dass das bei allen ein sehr einschneidendes Erlebnis war, mir plötzlich hilflos ausgeliefert zu sein. Da alle in ihren Sportarten den Meistergrad haben, waren sie sehr vor dem Vergleich sehr zuversichtlich, gegen Wing Tsun bestehen zu können, was keinem von ihnen zu ihrem Entsetzen gelang. Aus  diesem Grund entschieden sich mindestens drei, von denen ich es zuverlässig weiss, Wing Tsun zu erlernen.
Viele meiner engsten Freunde lernte ich im Wing Tsun Training kennen. Denn das gemeinsame trainieren und kommunizieren über das, was man so gerne tut, verbindet ungemein. Auch die Höhen und Tiefen im Erlernen und Einüben von Techniken, Erfolge und Misserfolge miteinander zu teilen,  läßt aus den Schülern Freunde werden. Vorteilhaft hierbei sehe ich, dass es, aufgrund nicht stattfindender Wettkämpfe in Wing Tsun, nicht zu dem Phänomen kommen kann dass, aus Teamkollegen Gegner werden. Dies trübt häufig die Freundschaften, wie ich bei Sparringsfreunden aus anderen Kampfsportarten sehen konnte.

Einen erheblichen Vorteil von Wing Tsun zu den meisten anderen, wettkampforientierten Kampfsportarten sehe ich darin, dass man mit den Jahren immer besser wird. Denn die geforderte Gelenkigkeit, Kraft und Ausdauer läßt mit dem Alter nach, dann kommt der Leistungsknick und mit diesem die Frustration, den Anforderungen nicht mehr zu entsprechen.  Wing Tsun kann selbst im hohen Alter noch ausgeführt werden, und die Jahre des Trainings zahlen sich dann erst richtig aus. Sigung  Keith R. Kernspecht, der Lehrer meines Lehrers ist jetzt, mit 67, auf einem Höhepunkt seiner Fähigkeiten als Kämpfer.

Rückblickend kann ich sagen, die Entscheidung Wing Tsun zu erlernen, war eine der besten meines Lebens!
 

Emil Nicolov, Grafing, April 2012
 

Andreas Frühwirth besteht die Prüfung zum ersten Lehrergrad Hier seine Arbeit über seinen Weg zum und mit Wing Tsun

 ESSENZIELLE SELBSTVERTEIDIGUNG DURCH WING / TSUN (WT)

unter besonderer Berücksichtigung der Gleichzeitigkeit

Schriftliche Arbeit zur Erlangung des 1. Technikergrades

Unvergessene Szenen der Unterlegenheit

Ein herrlicher Sommertag mitten im August. Ein öffentlicher Tennisplatz. Mit meinem jüngeren Bruder spiele ich, damals vierzehn, vielleicht seit einer halben Stunde Tennis. Plötzlich tauchen zwei  Jugendliche ungefähr meines Alters auf. Sie wollen jetzt spielen, sagen sie, und gehen einfach auf den Platz. Ich will aber nicht gleich klein beigeben, halte verbal dagegen, sage, wir gehen noch nicht. Der eine steht ziemlich nah vor mir und eh ich‘s mich versehe, liege ich am Boden. Keine Ahnung, wie das passiert war, und auch noch so schnell. Wahrscheinlich war es ein Fußfeger. Wir waren dann doch die Klügeren und gaben nach, aber mit einem unguten Gefühl der Unterlegenheit im Magen.

Etwa sechs Jahre früher, in der Turnhalle meiner Grundschule. Der Sportunterricht ist gerade zu Ende, alle Schüler gehen zurück in die Umkleidekabinen. Plötzlich steht mir ein Mitschüler, mit dem ich kurz zuvor noch Sport getrieben hatte, gegenüber. Er ist stämmig und bekanntermaßen schnell aggressiv. Ich erinnere mich nicht mehr, wie er zuschlug, aber es muss wohl ein Schwinger gewesen sein. Jedenfalls lag ich plötzlich am Boden. Bis heute weiß ich nicht, warum er zuschlug und wie alles so schnell gehen konnte. Glücklicherweise war der Schlag irgendwie nicht hart gewesen, so dass ich gleich wieder aufstehen konnte, doch diese Szene habe ich bis heute nicht vergessen.

Viele Jahre später. Ich bin 24, wohne in einem Hochhausviertel in Frankreich. Die Nacht bricht gerade herein. Die Straße mit der Telefonzelle, die ich gerade verlasse, ist schlecht beleuchtet. Ich überquere die Straße zügig, als ein Auto mit stark überhöhter Geschwindigkeit angerauscht kommt. Nach meinem Gefühl wäre ich beinahe überfahren worden. Ich erschrecke ziemlich stark, mache unwillkürlich mit den Händen eine Geste, der Fahrer möge doch langsamer fahren. Das war wohl ein Fehler. Der Franzose, groß, sportlich und aggressiv, hält abrupt an, steigt aus, fängt an zu schimpfen und kommt auf mich zu. Mir ist sofort klar: Wenn du ihm jetzt Contra gibst, haut er sofort zu. Für eine Schlägerei fühle ich mich nicht gerüstet, also deeskaliere ich. Mit einem bewusst starken deutschen Akzent finde ich die richtigen beschwichtigenden Worte, sodass er mit einer verbalen Drohung wieder abzieht. Diese Situation wäre um Haaresbreite ins Auge gegangen, denn der Typ wäre bestimmt nicht zimperlich gewesen. Nun war ich körperlich unversehrt, doch auch all die Jahre später ärgere ich mich immer noch, nichts an der Hand gehabt zu haben, womit ich mich im Ernstfall auch durch Kampf effektiv zur Wehr hätte setzen können.

 

Taekwondo

Dabei hatte ich doch einige Jahre zuvor ziemlich intensiv Taekwondo betrieben. Hatte Kicks, Kicks, Kicks trainiert, gerade, schräge, hohe, halbhohe, seitliche, gedrehte, gesprungene. Dazu zig gerade Fauststöße geschlagen. Und es machte Spaß, vor allem, wenn man die Pratzen gut traf und der Anzug so schön schnappte, Zeichen einer sauber ausgeführten Technik. Doch nach den ersten Gürtelprüfungen ging es unvermittelt in den Freikampf. Wir mussten also plötzlich aufeinander eintreten und einschlagen, ohne jemals in den Kampf mit Kontakt eingeführt worden zu sein. Prompt trug ich zwei ernstere Verletzungen davon: einen vollen Rückwärtstritt in die Genitalien (ein Tiefschutz war uns von unserem Trainer auch nicht angeraten worden) und einen Bruch meines Fußspanns bei der Kollision mit dem Fußspann meines Trainingspartners.

Fünf Wochen Zwangspause zum Reflektieren. Würde ich mich in einem Kampf auf der Straße jetzt sicherer fühlen? Kaum. Dazu hatten wir viel zu wenig Selbstverteidigung trainiert. Oder könnte ich gegen Schwinger und Haken kämpfen? Wir hatten immer nur gegen einen geraden Fauststoß auf die Brust trainiert, und selbst diese Verteidigungen erschienen mir in Bezug auf Timing und Koordination schon damals weitgehend unrealistisch. Zweifellos: Das Konditions- und Schnelligkeitstraining, dazu das viele Dehnen, machten richtig fit. Doch ich wusste nun, ich wollte mehr. Ich wollte essenzielle Techniken zur Selbstverteidigung erlernen, Kampftechniken also, mit denen ich in unterschiedlichsten bedrohlichen Situationen bestehen konnte. Leider sollte das noch eine ganze Weile dauern.

 

Endlich Wing / Tsun

Bis ich vor einigen Jahren zufälligerweise auf den Flyer von Sifu Erwin Kastl stieß, zu seinem Wing / Tsun-Probetraining ging und seitdem dabei blieb, war viel Zeit vergangen. Zu viel, für meine Begriffe, doch ich sage mir immer: Besser spät das Richtige finden als nie.

Würde ich heute sagen, ich kann mich adäquat selbst verteidigen? Man kann nie wissen, was sein wird, aber eins weiß ich ganz bestimmt: meine Chancen heute, gegen unterschiedlichste Angriffe – mit Worten, Fäusten, Beinen, Messer, Stock, Bierkrug, mehrere Angreifer usw. –  zu bestehen, d. h. nicht im Krankenhaus oder auf dem Friedhof zu landen, haben sich enorm erhöht.

Meistens beginnt ein Kampf mit einem Wort-„Gefecht“. Wird man angepöbelt, beleidigt, beschimpft, ist es unangemessen, sofort loszuschlagen, kein Gericht würde in einem solchen Fall den Notwehrparagraphen anwenden. Die erste Regel in einem sich anbahnenden Streit lautet daher Deeskalation: Man versucht, die Ruhe zu bewahren und sein oder seine Gegenüber von der Sinnlosigkeit einer handgreiflichen Auseinandersetzung zu überzeugen. Ein vermiedener Kampf ist also ein gewonnener Kampf – eine der wichtigsten Regeln, die wir im Wing / Tsun lernen. Auch das muss – und kann man – trainieren, indem man immer wieder potenzielle Pöbeleien und deeskalierende Reaktionen darauf nachspielt. Gar nicht so einfach, auf eine wüste Beschimpfung gelassen zu reagieren, doch sicherlich lohnend, wenn dadurch die körperliche Auseinandersetzung und damit potenzielle Frakturen, ausgeschlagene Zähne, innere Blutungen oder Schlimmeres vermieden werden können. In der oben beschriebenen Auseinandersetzung mit dem Franzosen hatte ich demnach in diesem Sinne richtig reagiert.

 

Gleichzeitigkeit

Ein wesentliches Prinzip im WT ist das der Gleichzeitigkeit, das in der simultanen oder quasi-simultanen Ausführung von Abwehr und Gegenangriff besteht. Dieser Grundsatz findet bereits in der Vorkampf- bzw. Deeskalationsphase einer Auseinandersetzung Anwendung: Man wirkt einerseits nach außen ruhig und gelassen, ist aber andererseits innerlich in Alarmbereitschaft und rechnet mit dem Schlimmsten. Erfolgt dann tatsächlich ein körperlicher Angriff, reagiert man entschlossen nach vorne: Der Angriff wird abgewehrt und gleichzeitig, oder fast gleichzeitig, erfolgt der Gegenangriff. Wie ist das möglich? Nur durch häufiges Training. Drei Faktoren sind für den Erfolg ganz entscheidend: Antizipation, Timing und Koordination.

Antizipation bedeutet, Art und Zielrichtung eines Angriffs möglichst früh zu erkennen. Kommt ein Schlag oder ein Tritt, von rechts oder von links, gerade oder kurvig, hoch oder tief usw. Alle diese Eigenschaften gilt es, im Bruchteil einer Sekunde gleichzeitig zu erkennen.

Timing bedeutet die zeitlich optimal abgestimmte Reaktion. Diese darf nicht zu schnell erfolgen, denn sonst kann man im Regelfall nicht mehr von Notwehr sprechen, aber natürlich auch nicht zu langsam, da sonst der Angriff vor dem eigenen Gegenangriff landet. Wichtig ist hierbei, die Entfernung vom und die Größe des Gegners richtig einzuschätzen.

Und schließlich Koordination. Der Körper muss automatisch wissen, wie und wohin er seine einzelnen Bestandteile (Arme, Beine, Kopf usw.) zu bewegen hat, um den Gegenangriff optimal durchzuführen.

 

Verteidigung aus dem „Zaun“

All das wird bereits ganz zu Anfang im wichtigsten Bestandteil des ersten Schülergrades, der „Verteidigung aus dem Zaun“, gelernt. Sifu Erwin Kastl lässt es sich nicht nehmen, alle Neueinsteiger geduldig persönlich zu unterweisen und Schritt für Schritt zu einer immer effektiveren Selbstverteidigung zu führen. Bei dieser wohl häufigsten Form des Kampfes, dem so genannten Ritualkampf, steht der potenzielle Angreifer nahe, d. h. ca. anderthalb Armlängen vor einem und sucht, zunächst verbal, Streit. Dabei ist seine Körperhaltung frontal, er macht sich vielleicht groß, geht auf einen zu, hat aber – und das ist entscheidend – die Arme nicht erhoben. Gleich zu Beginn einer solchen, möglicherweise gefährlichen, Situation nimmt man selbst beide Arme nach oben, man baut einen „Zaun“ auf, der allerdings nicht nach Vorkampfstellung aussehen darf. Wie bereits weiter oben beschrieben, erfolgt schon jetzt Gleichzeitigkeit von äußerer Ruhe und innerer Alarmbereitschaft. Schlägt der Kontrahent nun tatsächlich zu, erfolgt im Idealfall die Abwehr mit gleichzeitigem Gegenangriff: Sobald der Gegner ausholt, d. h. sich in der ersten Phase seines Schlages befindet, schlägt man selbst zu. Dieser Gegenschlag ist meist eine Biu-Fak oder Fak-Sao, deren großer Vorteil darin besteht, die gesamte Raumdiagonale vor dem Körper abzudecken. Danach erfolgen in schneller Reihenfolge weitere Schläge, deren Art von den Bewegungen des Gegners abhängt, um den Kampf möglichst schnell zu beenden.

Beim häufigsten Angriffsschlag, dem Schwinger mit Rechts, funktioniert die Gleichzeitigkeit am besten. Bei guter Antizipation, gutem Timing und guter Koordination kann der Gegenangriff sogar so schnell erfolgen, dass eine Abwehr gar nicht mehr nötig wäre (dennoch wird die Abwehrbewegung immer mit ausgeführt). Auch ein tiefer Haken und ein Schwinger mit Links werden gleichzeitig abgewehrt und mit Gegenangriff pariert. Dabei erfolgt die Abwehr im Regelfall mit links, während der Gegenangriff mit rechts ausgeführt wird. Der enorme Vorteil liegt hier darin, dass man nicht überlegen muss, welcher Arm was zu tun hat, die Aufgabenverteilung ist von vornherein klar und die Stellung der Arme muss nur, entsprechend dem Angriff, geringfügig variiert werden. Dadurch erhöht sich die Reaktionsgeschwindigkeit, ein definitiv entscheidender Faktor im Kampf.

Erfolgt ein sehr gerader Angriff, lässt sich eine völlige Simultaneität von Abwehr und Gegenschlag nicht gewährleisten, sondern es kommt zunächst zu einer Kollision. Unmittelbar nach dieser erfolgen jedoch weitere schnelle Schläge, damit auch in einem solchen Fall der Gegner möglichst rasch ausgeschaltet werden kann. Das kleine Manko der Nicht-Gleichzeitigkeit wird in jedem Fall durch die höhere Sicherheit (durch Biu-Fak bzw. Fak-Sao, siehe oben) und kürzere Reaktionszeit (dadurch, dass der rechte Arm immer die gleiche Bewegung macht, mit nur geringfügigen Modifikationen), mehr als kompensiert.

 

Long-range entry

Beherrscht man die Verteidigung aus dem „Zaun“, hat man bereits eine große Hürde in Richtung essenzieller Selbstverteidigung genommen, denn der beschriebene Ritualkampf, bei dem der Kontrahent eine ungedeckte Bedrohung darstellt, ist wohl die häufigste Art der Auseinandersetzung.

Etwas anders verhält es sich, wenn der Bedrohende die Arme nach oben nimmt. Damit macht er seine Angriffsabsichten eindeutig erkennbar. Lässt man ihn nun zu nahe heran, kann sein Angriff in der Regel nicht mehr abgewehrt werden, auch mit dem eigenen „Zaun“ nicht, da durch die erhobenen Arme des Gegners die eigene Reaktionszeit zu kurz wird. Es bleiben also nur zwei Möglichkeiten. Entweder man begibt sich sofort aus der Reichweite des Gegenübers und fordert ihn entschlossen auf, die Arme herunterzunehmen; falls er der Aufforderung nicht Folge leistet, setzt man zum Gegenangriff an. Oder der Gegenschlag erfolgt sofort.

Dieser besteht aus zwei Hauptphasen. Zuerst erfolgt ein langer Tritt, vorzugsweise auf das Schienbein oder das Knie des Gegners. Für diese erste Technik gibt es drei Gründe. Erstens begegnet man damit einem potenziellen Tritt des Gegners; zweitens begibt man sich damit in die von WT-lern erwünschte Entfernung zum Gegenüber (ca. eine dreiviertel Armlänge); und drittens lenkt man den Widersacher auf Beinhöhe ab, sodass er seine Armdeckung entweder fallen lässt oder sie weniger gut in Stellung hält.

Im zweiten Schritt des Gegenschlags spielt wieder die Gleichzeitigkeit eine essenzielle Rolle. Das Trittbein setzt so ab, dass man den Fuß entweder auf dem Fuß des Gegners absetzt und ihm dadurch jede Bewegungsmöglichkeit nimmt, oder das gegnerische Bein wird dadurch kontrolliert, dass man den eigenen Fuß innen am Fuß des Gegners, d. h. mit Kontakt, absetzt. Gleichzeitig mit dem Absetzen des Fußes wird der vordere Arm des Kontrahenten durch Pak-Sao aus dem Weg geräumt, während der andere Arm den Angriff zum Kopf des Gegners ausführt (Biu-Fak, Handflächenstoß, Fauststoß o. Ä.). Fußkontrolle, Pak-Sao und Schlag erfolgen also simultan und können bei richtiger Ausführung vernichtende Wirkung zeigen. Wie bei der Verteidigung aus dem „Zaun“ folgen unmittelbar danach weitere schnelle Techniken, bis der Gegner ausgeschaltet ist.

Auch bei der Long-range entry zeigt sich also, von welch großer Bedeutung die Gleichzeitigkeit in der essenziellen Selbstverteidigung ist.

 

Chancen gegen Messerangriffe

Abgesehen von Schusswaffenangriffen gehören Angriffe mit einem Messer wohl zu den gefährlichsten. Ein Messer ist klein und kann daher relativ einfach versteckt werden. Im Gegensatz zu anderen Waffen wie Bierkrug, Stock usw. kann ein Messer sehr leicht ins Körperinnere eindringen, lebenswichtige Organe verletzen und im Extremfall den Tod herbeiführen. Aus diesem Grund sollten Auseinandersetzungen mit einem Messer tunlichst vermieden werden. Gleichwohl kann es zu Situationen kommen, in denen Flucht unmöglich ist, z. B. in geschlossenen Räumen. Was ist dann zu tun? Auf keinen Fall vor Angst erstarren, was eine sicherlich verständliche und natürliche Reaktion in einer solch bedrohlichen Situation wäre, sondern – wie bei der Verteidigung aus dem „Zaun“ und der Long-range entry – entschlossen nach vorne gehen.

Wie ist es bei der Abwehr eines Messerangriffs nun um die Gleichzeitigkeit bestellt? Und braucht man nicht verschiedene Abwehrtechniken für unterschiedliche Angriffe? Wie reagiert man, wenn der Angreifer das Messer zurückzieht und wieder zusticht, ein durchaus realistisches Szenario? Sifu Erwin Kastl hat lange geforscht, unterschiedlichste Techniken ausgetestet und letztlich das wohl Beste und Sicherste für uns herausgefiltert: die Dogcatcher-Technik. Entscheidend ist auch hier wieder das Prinzip der Gleichzeitigkeit, das sich konzise in drei Worten beschreiben lässt: Scherengaan + Kopfstoß + Vorwärtsdruck. Jeder Messerangriff wird also mit doppeltem Gaan-Sao pariert, während die härteste Waffe des menschlichen Körpers, der Kopf, dem Gegner gleichzeitig einen Stoß auf dessen eigenen Kopf unterhalb der Augenbrauen versetzt. Während der gesamten Aktion wird auf den gegnerischen Körper Vorwärtsdruck ausgeübt.

Wird diese Technik richtig angewandt, bringt sie mehrere Vorteile. Sowohl durch die Simultaneität von Abwehr und Gegenangriff als auch durch den konstanten Vorwärtsdruck bleibt dem Gegner keine Möglichkeit, adäquat zu reagieren, also z. B. das Messer zurückzuziehen und erneut zuzustechen. Trifft der Kopfstoß, so ist er aller Wahrscheinlichkeit nach ein K.o.-Schlag. Doch selbst wenn der Kopfstoß nicht gelingt, bleibt der Gegner durch den Vorwärtsdruck in Bedrängnis und man kann selbst mit weiteren Techniken den Kampf beenden. All die vielen Varianten werden, nach Wichtigkeit gestuft, von Sifu Erwin Kastl systematisch unterrichtet.

Ein weiterer enormer Vorteil der Dogcatcher-Messerabwehr liegt darin, dass die Technik immer dieselbe ist und man nur zwischen rechts und links unterscheiden muss. Man kann also nach verhältnismäßig kurzer Trainingszeit bereits automatisch reagieren. Des Weiteren lässt sich diese Abwehr auf alle anderen Nicht-Schusswaffen von geringer Länge (Aschenbecher, Bierflasche, Stock etc.) übertragen, sodass damit ein sehr breites Spektrum an Gefahrensituationen abgedeckt wird.

 

Ein zentraler Punkt darf natürlich nicht vergessen werden: So genial eine Technik auch sein mag, zur reflexartigen, effektiven Anwendung muss sie technisch sauber erlernt, trainiert und in regelmäßigen Abständen wiederholt werden.

 

Erhöhte Sicherheit im Alltag

Die drei oben ausgeführten Techniken Verteidigung aus dem „Zaun“, Long-range entry und Dogcatcher-Messerabwehr wurden aus den nahezu zahllosen weiteren Techniken ausgewählt, weil sie (zusammen mit der Verteidigung gegen mehrere Angreifer, auf die hier nicht eigens eingegangen wird) wohl die Kerntechniken für effektive Selbstverteidigung ohne Regeln darstellen. Durch sie wird also „essenzielle Selbstverteidigung“, d. h. Notwehr in den häufigsten Fällen, ermöglicht. Wer sie beherrscht, erhöht seine eigene Sicherheit im Alltag sowie die der Angehörigen und Freunde, mit denen man unterwegs ist.

Wäre ich mit diesen Techniken in den eingangs beschriebenen Szenen vertraut gewesen, hätten diese vielleicht ein anderes Ende genommen und mir nicht dieses unangenehme Gefühl der Unterlegenheit beschert. Zum Fall des wildgewordenen Mitschülers in der Grundschule, der mich plötzlich ohne vermeintlichen Grund niederschlug: Ich hätte von Anfang an besser auf der Hut sein müssen, vielleicht hatte er ja irgendeinen Grund für Groll gegen mich. Dann versteckt Vorkampfstellung mit „Zaun“, seinen Schwinger mit Fok-Sao abfangen und gegenschlagen.

Der Fußfeger auf dem Tennisplatz, der mich zu Boden beförderte, hätte auch nicht sein müssen. In der WT-Vorkampfstellung wird das vordere Bein nur wenig belastet, um eben solche Angriffe einfach ins Leere laufen zu lassen und sofort darauf den Gegenangriff starten zu können. Oder ich hätte mit einem Stopptritt in den Unterleib reagieren können.

Und auch bei dem aggressiven Franzosen hätte ich – obgleich die Deeskalationsstrategie sicherlich gut war – selbstsicherer auftreten können, wenn ich die „Essentials“ der Selbstverteidigung beherrscht hätte. Es ist nicht schön, nur zu deeskalieren, weil man sich auf keinen Plan B verlassen kann.

 

Wing / Tsun und Freistil bei Sifu Erwin Kastl

Wie schon viele andere vor mir, möchte auch ich abschließend meinem Sifu Erwin Kastl für sein enormes Engagement danken. Er versteht es, seine Schüler durch ständige Erweiterung und Optimierung seines Repertoires immer aufs Neue zu begeistern. Er wertet neueste Erkenntnisse aus und gibt das Beste davon an seine Schüler weiter. Er lehrt das für essenzielle Selbstverteidigung Wichtigste zuerst, sodass man schon bald bedrohlichen Konflikten mit größerem Selbstvertrauen begegnen kann. Er beherrscht sowohl das klassische Wing / Tsun als auch viele andere Techniken, z. B. aus dem Bereich Bodenkampf. Er ist Schwarzgurtträger in anderen Kampfsportarten (Taekwondo, Kickboxen), hat viele Vollkontaktkämpfe bestritten und ist zudem noch Escrima-Ausbilder. Seine Schüler praktizieren bei ihm ein Kraft- und Konditionstraining, das er immer wieder optimiert und den Bedürfnissen des modernen arbeitenden Menschen, der oft wenig Bewegung und häufig auch wenig Zeit hat, angepasst ist, nach dem Motto: kurz aber knackig. Wer regelmäßig daran teilnimmt, braucht kein Fitnessstudio mehr. All das führt zu hoher Motivation und großem Spaß beim Training.

Danke, Erwin!

 

Andreas Frühwirth, Mai 2012

 

Alex Schlesier besteht die Prüfung zum ersten Lehrergrad Hier seine Arbeit über seinen Weg zum und mit Wing Tsun und seine Erfahrungen als Türsteher. Alex ist gerade dabei, in Norddeutschland eine WT-Schule zu eröffnen.  

Meine persönlichen Erfahrungen und Eindrücke über Wing/Tsun und Freistil

Es war ein sehr großer Glücksfall gewesen, dass ich, Alexander Schlesier, Sifu Erwin L. Kastl kennlernen durfte. Daher möchte ich auch gleich den Anlass nutzen um mich bei ihm ganz persönlich  zu bedanken. Besonders zeichnete ihn seine Geduld im Training aus, wenn ich mal wieder beim Erlernen einer neuen Technik neben mir stand. Darüber hinaus schätze ich ihn im höchsten Maße für seine Professionalität in den Bereichen Kampfsport/ Kampfkunst, Selbstverteidigung, Gesundheitsübungen und vor allem seine natürliche Ehrlichkeit gegenüber anderen.

Mein Werdegang zum Wing/Tsun Kung Fu und Freistil

Anfang 2005 wurde ich aus beruflichen Gründen, als erfahrener Ausbilder beim Militär, nach Bayern versetzt. Der Sport im Dienst war zwar toll und sehr abwechslungsreich, konnte aber meine Bedürfnisse nicht ganz erfüllen. Daraufhin machte ich mich auf die Suche nach einem Kampfsport, der mich auf eventuelle Verteidigungssituationen vorbereiten könnte. Nach dem Besuch einer Karateschule kam die Ernüchterung und ich wusste, dass mich dieser Kampfsport nicht auf den Ritualkampf vorbereiten konnte. Am selben Abend tauschte ich mich mit Markus, einem ehemaligen Arbeitskollegen und jetzt selbst WT- Lehrer, über unsere bisher gemachten Erfahrungen in verschieden Kampfsportarten aus. Markus erwähnte, dass er Wing/ Tsun und Freistil trainiere.

Mir war bekannt wie effektiv Wing Tsun ist, da ich schon eigene WT-Erfahrungen (beruflich) gemacht und ergänzend Reportagen gesehen hatte.

Daraufhin wurde mir bewusst, dass ich diese Kampfkunst erlernen wollte.

Außerdem muss es das Richtige sein, wenn schon SEK, KSK und andere Spezialeinheiten diese effektiven Techniken des Wing Tsun vermittelt bekommen. 

Persönlich habe ich mich für Wing/Tsun Kung Fu und Freistil aus vielen Gründen entschieden. Zum einen ist es mit Abstand das am Besten angepasste Verteidigungssystem der heutigen Gesellschaft und zum anderen ist es sehr Zweckorientiert. D.h., das Zusammenspiel von Psychologie und den verschiedenen Strategien bis hin zu den WT-Prinzipien. Des Weiteren trainieren wir auch in Freistil-Bereichen, die nicht zum reinen Wing Tsun gehören. Als Beispiele möchte ich Escrima, Messerangriffe überleben und die Bodentechniken als 2.Verteidigungsebene erwähnen. Eine Mischung aus Wing/Tsun und Freistil ist sicherlich auch die Bui Tze Kampferöffnung, die wiederum optimal auf Pressurpoints und Palmsticktechniken ausgelegt ist.

 

Wing/Tsun und Freistil, wie eine kleine Familie

Ich wurde sehr schnell und freundlich in die Trainingsgruppe integriert. Mir gefiel  immer die Zusammensetzung der Trainingsgruppen. Sie bestanden aus den unterschiedlichsten Charakteren und Persönlichkeiten, aber auch dem Alter und deren ausgeübten Berufe.  Es ist Sifu Erwin L. Kastl zu verdanken, dass sich jeder Schüler im Training gut aufgehoben fühlt. Er behandelt alle seine Schüler gleich und geht auf jeden Einzelnen ein. Die Fortgeschrittenen unterstützen und trainieren auch oft mit den unteren Schülergraden, ohne dabei einen besonderen Anspruch zu fordern.

Das Training im Ganzen für Körper und Geist

Am Anfang beginnen wir immer mit dem Formtraining, wie Siu Nim Tau, Chum Kui oder Bui Tze. Diese dienen zur Anregung der Nervenverbindungen, welche die Bewegungsabläufe koordinieren. Mit den Bewegungsabläufen werden die Grundtechniken erlernt, die Feinmotorik gefördert und die Muskulatur für die folgenden Trainingseinheiten vorbereitet. Anschließend gehen wir zum Falltraining ohne Matte und zum technischen Wing/Tsun und Freistil über.

Das Falltraining ist eine überlebenswichtige Notwendigkeit und eine Prävention gegen Sturzverletzungen im Alltag, Sport oder auch als Vorbereitung fürs hohe Alter.

Das Trainingsprogramm beinhaltet natürlich noch mehr als nur Kampftechniken. Es geht auch um Strategien der Selbstverteidigung und die Psychologie von Opfer- und Täterverhalten. Das Training ist sehr anspruchsvoll, wenn man bedenkt wie viel Konzentration nötig ist, um beim Chi Sau (klebende Hände) keine gefangen zu bekommen. Ich persönlich habe das recht gerne, weil ich dann wieder wach bin und meine Fehler besser erkenne. Nach dem Training sind dann alle geschafft, aber glücklich.

Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass man nach dem Training nicht nur ausgeglichen ist, sondern auch Selbstbewusster wird.

Für viele, die Kampfsport und Kampfkunst ausüben steht nicht nur der Kampf im Vordergrund, sondern auch der Gedanke „Gesund zu sein und zu bleiben!“. Eigentlich möchte jeder fit sein und das auch noch im hohen Alter. Die Siu Nim Tau (Kleine Idee) ermöglicht nicht nur die elementaren Grundtechniken von Wing Tsun zu erlernen, sondern beinhalten auch Teile der Bewegungslehre aus der chinesischen Medizin. Die spezielle Partner Gymnastik am Ende des Trainings ist eine Kombination aus Krafttraining und Dehnungsübungen. Dr. Paki`s Muskelverlängerungstraining beziehen wir gerne in die Übungen mit ein, weil sie auch den sogenannten Bürobuckel vorbeugen können.

Meine Erfahrungen als Einlasser

Jeder hat schon einmal Situationen erlebt in der man sich zur Wehr setzen musste. Man hat die Möglichkeit des Weglaufens, aber die Polizei und ähnliche Einrichtungen haben diese Alternative nicht.

Im Gastgewerbe hat man als Sicherheitspersonal nicht die Rechte der Executive, aber muss dennoch das gute Image seines Auftraggebers wahren.

Ich möchte mit den Verhaltensweisen eines Einlassers beginnen.

Das Verhalten sollte Deeskalierend sein, d.h. Ruhe ausstrahlen und dem Gast freundlich gegenübertreten, dies gibt dem zahlenden Kunden ein gutes Gefühl.

Ein Psychologischer Vorteil ist, dass man negativer Stimmung entgegenwirkt und eventuell aggressives Verhalten abmindert.

Ein Gast der schon mit schlechter Laune in die Lokalität eintritt, könnte am fortgeschrittenen Abend mit etwas mehr Alkohol im Blut zu einem gewaltbereiten Menschen werden. Sollte dieser Fall eintreten, dann muss das Sicherheitspersonal diese Person herausbegleiten. Notfalls unter Einsatz von sanften Mitteln (Abführgriffe), dies geschieht begleitend durch gutes Zusprechen. Durch das vorherige freundliche Auftreten hat man den Psychologischen Vorteil, schlecht einschätzbar zu sein und bei eintreten eines Falles, die Situation schneller und humaner unter Kontrolle zu bekommen. Nach dieser Strategie haben meine Kollegen und ich gehandelt, sodass wir laut Zeitungsbericht „Die freundlichsten Türsteher Österreichs“ waren.

Dennoch gab es Situationen, die ein anderes Vorgehen unabdinglich machte. Vorher möchte ich auf ein Geschehnis eingehen, wie man es nicht machen sollte.

Eigentlich gehörte der Parkplatz nicht zu meinen Aufgabenbereich, aber es war notwendig in die Schlägerei einzugreifen. Es versammelte sich eine Menschentraube um zwei Jugendliche, die am Boden zu kämpften schienen. Ein taktischer Fehler von mir war, dass ich blind dazwischen ging, ohne zu prüfen wer dazugehörte. Ich trennte die Beiden am Boden liegenden voneinander, kam hoch und fing mir gleich einen Kinnharken ein, von einem der dort herumstand. Ich hätte es eigentlich wissen müssen, weil ich es im Training richtig gelernt hatte, aber die Straße ist auch ein harter Lehrer und verzeiht Dir Deine Fehler nicht.

Wie man sich mit Hilfsmittel aus so einer ähnlichen Lage befreit zeigt folgender Fall.

Bei einer Massenschlägerei vor der Tür wollte Andi die Parteien beruhigen und geriet selber in Bedrängnis, um ihn aus dieser Situation schnellstmöglich und heil herauszubekommen sah mein Kollege sich gezwungen Pfeffergel einzusetzen, um die aufgebrachte Menschenansammlung aufzulösen und wieder einen Überblick zu bekommen.

Ich möchte kurz auf die Nachteile von Pfefferspray eingehen. Durch die Schwadenausbreitung ist eine gezielte Abwehr schlecht möglich, des Weiteren muss man beim Einsatz im Freien die Windrichtung beachten, um nicht selbst etwas abzubekommen.

Ich persönlich empfehle das Pfeffergel, weil der gezielte Einsatz mit dem Gelstrahl auch gegen mehrere  möglich ist und man selber verschont bleibt.

Eine Situation ist mir noch sehr gut im Gedächtnis. Ein junger Mann rastete völlig aus und schlug wild um sich. So wie es aussah hatte er nicht nur zu viel Alkohol getrunken, sondern auch noch Drogen konsumiert. Wir hatten ihn schnell im Abführgriff und wollten ihn an die frische Luft bringen, aber er ließ sich nicht beruhigen und versuchte sich von uns loszureißen. Schließlich brach er sich den Arm, aber es schien ihn nicht zu interessieren. Es gab nur eine Möglichkeit, dass er anderen und sich selbst nicht weiter verletzen würde. Die Polizei war unterwegs und Franz (WT-Lehrer aus Österreich), ließ ihn einschlafen. Es war eine mir bis dahin unbekannte Technik, die ungewöhnlich aber dafür sehr effektiv war. Um die Brisanz zu verdeutlichen, nachdem die Person wieder aufwachte wollten nicht einmal die normalen Polizisten ihn in Gewahrsam nehmen, da er zu aggressiv war und somit übernahm die hinzugerufene COBRA (vergleichbar mit unserem SEK).

Mein Fazit: Unter Drogen stehende Personen können sehr Reaktionsschnell sein. Die konsumierten Drogen haben unterschiedliche Auswirkungen. Eine davon ist das Aufputschen. Es ist nicht einfach jemanden zu kontrollieren, der keinen Schmerz empfindet und nicht merkt, wann er aufhören sollte. Mehrere Möglichkeiten sollten daher besonders intensiv trainiert werden. Die Bui Tze Kampferöffnung ermöglicht es, einen Gegner auszuknocken ohne ihn dabei erhebliche Verletzungen zuzuführen. Sollte es eine Möglichkeit geben an diese Person heranzukommen, dann empfehle ich die chinesische Krawatte anzusetzen, um wie im oben beschriebenen Fall die Person ruhig zu stellen. Das Fesseln von Personen sollte vermieden werden, auch wenn man meint, dass es gerechtfertigt wäre. In der Gesetzgebung ist es grundsätzlich verboten und gilt als Freiheitsberaubung.

Schlusswort

Ich bin sehr froh ein Schüler von Sifu Erwin L. Kastl zu sein, besonders weil ich im Norden von Deutschland eine Schule gründen möchte. Dort werde ich Wing/Tsun und Freistil weiter trainieren und unterrichten, um vielen Anderen zu zeigen wie großartig und abwechslungsreich unser Training ist. Abschließend möchte ich mich bei all meinen Trainingspartner/n/innen für den Erfahrungsaustausch, sowie den Spaß den wir hatten bedanken.

Oktober 2012

Harald Maier besteht die Prüfung zum ersten Lehrergrad

Er ist kein grosser Schriftsteller, deshalb hat er als theoretischen Teil der Prüfung eine schriftliche und mündliche Prüfung über WT-Theorie abgelegt.